London - Theresa May ist derzeit nicht zu beneiden. Für die britische Premierministerin stehen am Montag wieder einmal bange Stunden im britischen Parlament an. Dann sollen die Abgeordneten erstmals über eines der wichtigsten Gesetze zum Brexit abstimmen.

May steht von mehreren Seiten unter enormem Druck. Sollte sie eine Abstimmungsniederlage kassieren, stünde ihre Zukunft als Regierungschefin auf der Kippe. Macht sie Zugeständnisse, droht eine Revolte im Lager der Brexit-Hardliner. Seit Tagen rühren deshalb Mays Getreue in der Regierungsfraktion mit Betteln und Drohen die Trommel für das Gesetz.

Mit dem «European Union (Withdrawal) Bill» (EU-Austrittsgesetz), das zunächst als «Großes Aufhebungsgesetz» bekannt war, sollen etwa 12 000 EU-Vorschriften in nationales Recht umgeformt werden. Damit will die Regierung verhindern, dass Großbritannien mit dem EU-Austritt Ende März 2019 ins Chaos stürzt, wenn EU-Recht seine Gültigkeit in Großbritannien verliert.

Eine Heinrich-VIII Klausel

Kaum jemand bestreitet, dass das Gesetz notwendig ist. Doch es gibt einen Haken: Weil viele Formulierungen an die neuen Verhältnisse angepasst werden müssen, will sich die Regierung das Recht geben lassen, ohne Gesetzgebungsverfahren den Korrekturstift anzusetzen. Die Rede ist oft von einer Heinrich-VIII.-Klausel. Der herrschsüchtige Monarch des 16. Jahrhunderts setzte gerne Gesetze des Parlaments per Erlass außer Kraft.

Die Opposition wittert Gefahr - nicht nur für Arbeitnehmerrechte und Umweltschutz - und will die Zustimmung zu dem Gesetz verweigern. Doch auch aus der eigenen Fraktion bekommt May Gegenwind. Es handele sich um einen «nie dagewesenen und unnötigen Griff nach Macht», polterte die pro-europäische konservative Abgeordnete Anna Soubry bei der ersten Fragestunde des Parlaments seit der Sommerpause am Mittwoch.

Für May könnte dieser Widerstand gefährlich werden. Sie gebietet seit der schief gelaufenen Neuwahl im Juni nur noch über eine hauchdünne Mehrheit mithilfe der nordirischen DUP. Sechs Abweichler würden ausreichen, um das Gesetz zu Fall zu bringen.

50 Milliarden Britische Pfund an Brüssel

Doch auch von anderer Seite droht Ungemach. Für die Brexit-Hardliner bei den Tories gilt jedes Zugeständnis an die Opposition als «Verhinderung des Volkswillens», der beim Brexit-Votum im vergangenen Jahr zum Ausdruck kam. In einem Brief warnten Dutzende konservative Abgeordnete May davor, Forderungen der Opposition nach einem Verbleib in EU-Binnenmarkt und in der Zollunion während einer Übergangsphase nachzugeben. Ein Bericht, wonach May angeblich bereit ist, bis zu 50 Milliarden Britische Pfund (umgerechnet rund 55 Milliarden Euro) an Brüssel zu überweisen, um in den Austrittsverhandlungen voranzukommen, löste kürzlich Panik im Brexit-Lager aus.

Die Premierministerin, so scheint es, sitzt lange nicht so fest im Sattel, wie ihre Ankündigung vermuten lässt, auch bei der nächsten regulären Parlamentswahl 2022 noch einmal antreten zu wollen. Längst gibt es Spekulationen darüber, wer May an der Spitze der Partei und der Regierung nachfolgen könnte. Neben Brexit-Minister David Davis ist auch der exzentrische Hinterbänkler Jacob Rees-Mogg im Gespräch, der Außenminister Boris Johnson als oberstem Zyniker unter den Brexit-Befürwortern den Rang abzulaufen droht.

Fraglich ist, ob May der Spagat zwischen Brexit-Hardlinern und EU-Befürwortern gelingen wird. Doch auch für den Fall, dass May am Montag eine Mehrheit bekommt, ist das Gesetz noch nicht in trockenen Tüchern. Weitere Debatten und Abstimmungen im Parlament stehen an.

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