Brüssel/Flensburg - Die EU-Kommission soll nach dem Willen von mehr als einer Millionen Menschen in Europa mehr für den Schutz nationaler Minderheiten tun. Die europäische Bürgerinitiative «Minority Safepack» hat bis zum Dienstag deutlich mehr als die nötigen eine Millionen Unterschriften gesammelt, wie die Initiative mitteilte. Das endgültige Ergebnis sollte am Mittwoch in Flensburg präsentiert werden. Auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther hatte eigenen Angaben zufolge unterschrieben.

Die rund 1,2 Millionen Unterschriften müssen in den kommenden drei Monaten noch von den jeweiligen EU-Mitgliedstaaten überprüft werden. Sind mindestens eine Millionen gültig, muss sich die EU-Kommission mit dem Anliegen befassen und könnte neue Regeln vorschlagen.

Organisator der Unterschriftensammlung ist der Dachverband nationaler Minderheiten und Volksgruppen in Europa FUEN mit Sitz in Flensburg. Er will für eine EU-weite Verankerung von Minderheitenrechten sorgen. In der europäischen Bürgerinitiative geht es um Minderheitensprachen, Bildung und Kultur, Regionalpolitik, Beteiligung an der Gesellschaft, Gleichheit und um Zugang zu Medien.

In Deutschland unterstützt die Domowina das Projekt. Der Bund Lausitzer Sorben setzt sich seit seiner Gründung 1912 für den Erhalt der ober- sowie niedersorbischen Sprache sowie der Traditionen des sorbischen Volkes ein. Über die Initiative sprach die Deutsche Presse-Agentur mit dem Domowina-Vorsitzenden David Statnik.

Herr Statnik, was verbirgt sich hinter der FUEN-Initiative?

Antwort: Die Minority SafePack Initiative - im übertragenen Sinne ein «Minderheiten-Sicherheitspaket» - ist ein umfassendes politisches Maßnahmenpaket für die Rechte nationaler und sprachlicher Minderheiten. Denn sie werden nicht immer respektiert, in vielen Fällen sind sogar in Europa Sprache und Kultur gefährdet. Einige stehen auch aus politischen Gründen stark unter Druck. Nach Einschätzung der Unseco ist mehr als die Hälfte der weltweit über 6000 Sprachen vom Aussterben bedroht. 200 Sprachen sind während der letzten drei Generationen ausgestorben, etwa 1700 Sprachen sind ernsthaft gefährdet, über 600 Sprachen werden kaum noch gepflegt.

Können Sie einige Beispiele besonders gefährdeter, europäischer Minderheiten nennen?

Antwort: Die sorbische Sprache, besonders das Niedersorbische in Brandenburg, zählt zu den bedrohtesten Sprachen Europas. Verweisen möchte ich aber auch auf die Samen in den skandinavischen Ländern, die Okzitaner oder Bretonen in Frankreich, die deutsche Minderheit in Polen oder die Roma in osteuropäischen Ländern. Letztere leiden besonders unter der menschenunwürdigen Politik einzelner Nationalstaaten. Es ist unglaublich, doch mitten in Europa leben Menschen in Slums, haben keinen Zugang zum Gesundheitssystem, zur Bildung und zum Sozialsystem.

Warum unterstützt die Domowina das Projekt?

Antwort: Es ist eine der bedeutendsten solidarischen Aktionen der Minderheiten in Europa. In den 47 Staaten Europas mit 743 Millionen Menschen leben rund 340 alteingesessene Volksgruppen mit mehr als 100 Millionen Menschen. Jeder siebte Europäer ist Angehöriger einer solchen Minderheit. Es gibt in der EU neben den 24 Amtssprachen über 60 Regional- oder Minderheitensprachen, die von rund 50 Millionen Menschen gesprochen werden. Die Sorben sind wie die Friesen, Dänen oder Sinti und Roma in Deutschland Teil dessen - und wenn wir die Vielfalt Europas erhalten wollen, ist es an der Zeit, die Werte dieser Gemeinschaften im Staat anzuerkennen und zu fördern. Und davon haben nicht nur die nationalen Minderheiten in Deutschland etwas, sondern auch die deutschsprachigen Gemeinschaften in mehr als 20 europäischen Ländern.

Was versprechen Sie sich von der Unterschriftensammlung?

Antwort: Zuerst erhalten die Organisatoren die Möglichkeit, ihre Initiative bei einer öffentlichen Anhörung im Europäischen Parlament vorzustellen. Danach veröffentlicht die Kommission eine Entscheidung, wie mit dem Antrag verfahren werden soll. Ziel ist natürlich, dass Europa bei Planungen die Regionen beachtet, in denen Minderheiten und kleine Volksgruppen leben und, dass sich ihre rechtliche Situation europaweit verbessert. Ein praktisches Beispiel liegt dabei direkt vor unserer Haustür. In der Lausitz diskutieren wir derzeit über den Strukturwandel - schrittweise weg von der Braunkohle hin zu erneuerbaren Energien. Dieser Wandel wird die Region grundlegend verändern. Auch wir Sorben sind hiervon betroffen. Ohne politische Unterstützung wird uns der Wandel nicht gelingen. Hier muss die Bundesrepublik und Europa helfen.

ZUR PERSON: David Statnik ist seit sieben Jahren Vorsitzender des sorbischen Dachverbandes Domowina. Der 34-jährige Sorbe arbeitete bis 2013 als Bühnenmeister im Sorbischen National-Ensemble. Außerdem vertritt der dreifache Vater aus Ralbitz die Sorbische Wählervereinigung im Bautzener Kreistag. Die Sorben gelten als kleinstes slawisches Volk und sind in der Ober- und Niederlausitz zu Hause. Schätzungsweise gehören der Minderheit 60 000 Menschen in Sachsen und Brandenburg an.

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