Berlin/Leipzig - Vor drei Jahren waren Stickoxide noch etwas für Experten. Aber seit im Abgas-Skandal herauskam, dass viele Diesel mehr davon ausstoßen, als sie sollten, beschäftigt das gesundheitsschädliche Gas Autofahrer, Autobauer, Gerichte und Politiker. Es scheint immer wahrscheinlicher, dass bald die ersten Städte Straßen für ältere Diesel sperren, um die Luft sauber zu bekommen - auch ein Gerichtsurteil in Leipzig an diesem Dienstag könnte dazu beitragen. Das Wichtigste im Überblick:

1. Wen es treffen würde, ist offen.

Klar ist, dass Benziner mit Stickoxiden keine Probleme haben. Denkbar wäre, in bestimmten Straßen gar keine Diesel zuzulassen oder nur solche, die der neuen EU-Abgasnorm Euro 6d entsprechen. Das wäre allerdings kaum zu kontrollieren, wenn es keine Kennzeichnung, etwa eine «blaue Plakette», gäbe. Die bisherigen Umweltzonen mit den roten, gelben und grünen Plaketten zur Feinstaub-Reduzierung sehen Ausnahmen vor - etwa für Traktoren, Krankenwagen oder Oldtimer.

2. Wo es Fahrverbote geben würde, ist offen.

Die Rede ist bei der Bundesregierung von «streckenbezogenen» Beschränkungen in Gebieten, in denen Grenzwerte gerissen werden. Das könnten also einzelne Straßen oder Straßenabschnitte sein. Umweltschützer befürchten, dass vor allem um die Messstellen herum die Luft sauberer werden soll - dann hätte Deutschland vielleicht kein Problem mehr mit der EU, den Stadtbewohnern wäre aber nicht geholfen. Andererseits sind die Messstellen nicht willkürlich verteilt, sondern nach festen, ziemlich komplizierten Regeln, damit sie möglichst repräsentative Ergebnisse liefern.

3. Dutzende Städte kommen in Frage.

Messstellen in München, Stuttgart und Köln wiesen die schlechtesten Werte 2017 aus. Zu den 37 Städten, deren Grenzwert-Überschreitung für das vergangene Jahr schon jetzt sicher ist, gehören aber auch kleinere, etwa Reutlingen, Heilbronn, Darmstadt, Limburg an der Lahn oder Tübingen. Die Werte hat das Umweltbundesamt veröffentlicht.

4. Die rechtliche Grundlage ist kompliziert.

Wer Fahrverbote auf welcher Grundlage erlassen kann, ist bisher unklar. Vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig geht es darum, ob Kommunen schon jetzt Fahrverbote eigenmächtig erlassen dürfen auf Basis des Bundesimmissionsschutzgesetzes und der entsprechenden Verordnungen. Nun hat die Bundesregierung angekündigt, über die Straßenverkehrsordnung eine Regelung zu schaffen «zur Anordnung von streckenbezogenen Verkehrsverboten». Kommunen und Umweltschützer dagegen wollen eine «blaue Plakette» als bundesweite Kennzeichnung relativ sauberer Autos. Das lehnt die Bundesregierung bisher ab.

5. Die Luft ist sauberer geworden.

Die neueste Diesel-Generation ist sauberer, die Städte tun schon einiges für ihre Luft, Software-Updates verbessern die Abgasreinigung von Millionen Autos, und der Diesel-Anteil bei Neuwagen-Käufen ist deutlich zurückgegangen. All das zeigt Wirkung. An vielen Messstationen sind die Stickoxid-Werte 2017 deutlich niedriger ausgefallen als 2016, wie das Umweltbundesamt auflistet. Nur: Es reicht eben noch nicht. Schätzungen zufolge dürften 70 Kommunen weiterhin zu hohe Werte haben, noch liegen nicht alle Daten vor.

6. Die Gesundheitsgefahr ist real.

Experten des Umweltbundesamts haben viele Studien zur Gefahr von Stickoxiden ausgewertet. Trotz einer nach eigenen Angaben sehr vorsichtigen Rechnung kam heraus: Mindestens 6000 Menschen im Jahr sterben in Deutschland vorzeitig alleine an Herz-Kreislauf-Krankheiten, die von Stickoxid ausgelöst werden. Wissenschaftler gehen davon aus, dass auch Schlaganfälle, Lungenerkrankungen wie Asthma oder COPD sowie Diabetes durch Stickoxide ausgelöst oder verschlimmert werden können. Die EU, die anders rechnet, geht von 10 400 vorzeitigen Todesfällen aus.

7. Hardware-Nachrüstungen sind nicht vom Tisch.

Bisher lassen die Autobauer nur neue Software aufspielen, um die Abgasreinigung zu verbessern - neue Bauteile lehnen sie als ineffizient ab. Spannend ist, was in einem Gutachten für eine Expertengruppe unter Leitung des Verkehrsministeriums dazu steht. Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD Hardware-Nachrüstungen an zwei Bedingungen gekoppelt: Sie müssten «technisch möglich und wirtschaftlich vertretbar» sein. Ersteres dürfte klar zu beantworten sein - das zweite ist wohl eher eine Ermessensfrage.

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