Großbritannien könnte den für 2019 angekündigten Brexit nach EU-Recht noch ohne Weiteres stoppen und einfach Mitglied der Europäischen Union bleiben. Dies entschied der Europäische Gerichtshof am Montag (10. Dezember) in Luxemburg. Eine Zustimmung der übrigen EU-Staaten sei nicht nötig. Die Schwelle für einen Rückzieher von dem in Großbritannien sehr umstrittenen EU-Austritt ist somit niedriger als gedacht. (Rechtssache C-621/18)

Das oberste schottische Zivilgericht hatte den EuGH um eine Bewertung gebeten. Das Urteil fiel nun einen Tag vor der Abstimmung des britischen Parlaments über das von Regierungschefin Theresa May mit der EU ausgehandelte Austrittsabkommen. Dafür zeichnet sich keine Mehrheit ab. Eine Debatte über Alternativen ist in vollem Gange.

Die britische Regierung hatte am 29. März 2017 die übrigen EU-Staaten offiziell darüber informiert, dass das Land die EU verlassen will. Damit begann ein zweijähriges Austrittsverfahren nach Artikel 50 der EU-Verträge, das planmäßig mit dem Brexit genau zwei Jahre später am 29. März 2019 endet. Die EU-Kommission und der Rat der Mitgliedsländer hatten vor dem EuGH argumentiert, das Verfahren lasse sich nur mit einem einstimmigen Beschluss des Rats stoppen.

Ein Rückzieher der Austrittsankündigung sei «möglich»

Der EuGH sieht das eindeutig anders. Ein Rückzieher der Austrittsankündigung sei «in Übereinstimmung mit den verfassungsrechtlichen Notwendigkeiten» in Großbritannien möglich. Das gelte so lange, bis ein Austrittsabkommen in Kraft oder die vorgesehene Austrittsfrist einschließlich möglicher Verlängerungen abgelaufen sei. Die «eindeutige und bedingungslose Entscheidung» zum Verbleib in der EU müsse dem Rat schriftlich mitgeteilt werden. Dann bliebe das Vereinigte Königreich unter unveränderten Bedingungen Mitglied der EU, entschieden die Luxemburger Richter.

Ein Rückzieher von der Absicht zum Austritt sei wie diese selbst ein souveräner Akt des Mitgliedsstaats. Würde man die Zustimmung der übrigen Staaten zur Bedingung machen, widerspräche das dem Prinzip, dass kein EU-Land gegen seinen Willen zum Austritt gezwungen werden könne, erklärte der EuGH.

EU-Ratschef Donald Tusk nehme das Urteil zur Kenntnis, werde aber nicht reagieren, hieß es aus EU-Kreisen. Tusk hatte Großbritannien in der Vergangenheit immer wieder angeboten, in der EU zu bleiben.

May hatte am Wochenende abermals für ihr Brexit-Paket geworben

Der schottische Europaabgeordnete Alyn Smith aus der Grünen-Fraktion erklärte, die EuGH-Entscheidung sende eine klare Botschaft an das britische Parlament, «dass es einen Ausweg aus diesem Schlamassel gibt». Wenn Großbritannien sich umentscheide, sollte die EU das Land wieder mit offenen Armen empfangen, meinte Smith.

Das Urteil dürfte den Brexit-Gegnern in Großbritannien Auftrieb geben. May hatte noch am Wochenende abermals für ihr Brexit-Paket geworben. Es besteht aus einem knapp 600 Seiten starken Austrittsvertrag, der die Bedingungen der Trennung regelt, so etwa die Rechte der EU-Bürger in Großbritannien und finanzielle Pflichten Londons gegenüber der EU. Ergänzt wird der Vertrag durch eine rechtlich nicht bindende politische Erklärung zu den künftigen Beziehungen.

Scheitert Mays Plan im Parlament, muss sie entweder noch einmal abstimmen lassen - oder es braucht einen Plan B. Aus der britischen Regierung und der Opposition mehren sich Signale, dass dann eine engere Anbindung an die EU erwogen werden könnte, zum Beispiel der Verbleib in Binnenmarkt und Zollunion. Nicht mehr undenkbar ist ein zweites Referendum - oder eben sogar ein Rückzieher vom Brexit.

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