Berlin - Im Wahlkampf hat Europa kaum eine Rolle gespielt. Aber spätestens nach der Rede von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron stellt sich die Frage, wie sich die künftige Bundesregierung zu den Vorschlägen verhält. Bekannte Forderungen wie ein Haushalt für die Euro-Länder, ein Euro-Finanzminister oder mehr Solidarität unter den aktuell 19 Euro-Staaten hatte Macron aber nicht näher ausgeführt - wohl auch aus Rücksicht auf die Koalitionsverhandlungen in Deutschland für ein mögliches Bündnis von CDU, CSU, FDP und Grünen.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ließ zuletzt erklären, dass sie den «Grundbefund» Macrons teile, wonach an Europa weiter gearbeitet werden müsse. In der Vergangenheit hatte die Bundesregierung grundsätzlich Unterstützung für ein Budget im Euroraum, einen europäischen Finanzminister oder einen Europäischen Währungsfonds signalisiert. Aber Paris und Berlin verstehen darunter nicht immer das gleiche und verfolgen eine andere Reihenfolge:

UNION:

CDU und CSU sehen Deutschland und Frankreich laut Wahlprogramm als Motor Europas: «Wir sind bereit, mit der neuen französischen Regierung die Euro-Zone schrittweise weiterzuentwickeln, zum Beispiel mit der Schaffung eines eigenen Währungsfonds.» Bei der Stabilisierung der Euro-Zone wird eine «Vergemeinschaftung von Schulden» ausgeschlossen. Die Union ist bereit, «bei der Überwindung der Probleme gerade beim Abbau der hohen Jugendarbeitslosigkeit solidarisch zu helfen». Dies sei aber nur möglich, «wenn gemeinsam vereinbarte Regeln wie der Stabilitätspakt eingehalten werden».

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Mögliche Koalitionen für eine Regierungsbildung

CDU/CSU sehen die «strategische und wirtschaftliche Bedeutung der Türkei für Europa» ebenso wie die «vielfältigen Beziehungen zwischen den Menschen» in beiden Ländern. Die Beziehungen zwischen der EU und der Türkei sollten weiter vertieft werden. «Eine Vollmitgliedschaft der Türkei lehnen wir aber ab, weil sie die Voraussetzungen für einen Beitritt nicht erfüllt», heißt es. Die Union unterstützt den Vorschlag einer Europäischen Verteidigungsunion und eines Europäischen Verteidigungsfonds.

FDP:

Die Liberalen treten für eine «Trendwende» ein - weg «von Niedrigzinspolitik, Investitionsstau und der Vergemeinschaftung von Schulden hin zu Eigenverantwortung, soliden Staatsfinanzen und Wachstum». Einen «europäischen Finanzausgleich» über ein Eurozonen-Budget und eine Vergemeinschaftung der Einlagensicherung der Banken lehnt die FDP ab. Regeln müssten eingehalten werden.

Finanzhilfen dürfen künftig nur gegen marktwirtschaftliche Reformen gewährt werden. Eine «widerrechtliche Nutzung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) sowie eine dauerhafte Transferunion zu Lasten der europäischen Steuerzahler» lehnt die FDP ab. Eine künftige Bundesregierung sollte sich aus Sicht der FDP für eine unabhängige Institution einsetzen, die wirksam über die Einhaltung der Regeln der Währungsunion wacht. Nötig sei eine Insolvenzordnung für die Eurostaaten und ein Austrittsrecht aus dem Euro ohne Verlust der EU-Mitgliedschaft. Banken müssten verpflichtet werden, Staatsanleihen in ihrer Bilanz mit Eigenkapital abzusichern.

Die Verhandlungen mit der Türkei über einen EU-Beitritt sollten aus Sicht der FDP beendet werden. Die europäische Integration würde durch ein «Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten» vereinfacht.

GRÜNE:

Aus Sicht der Grünen steht mit der neuen französischen Regierung unter Macron «ein kraftvoller Partner für Reformen in Europa zur Verfügung». Macron habe zu Recht ein Ende der Sparpolitik und eine große europäische Investitionsoffensive gefordert.

«Ein Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten darf nicht der Standardmodus, muss aber möglich sein», heißt es. Der bisherigen Koalition von Union und SPD werfen die Grünen vor, auf «einer einseitigen Sparpolitik» beharrt und Schuldenerleichterungen für Griechenland und Eurobonds behindert zu haben.

Die Grünen wollen den Euro-Rettungsmechanismus ESM in einen Europäischen Währungsfonds umwandeln, der durch das Europaparlament kontrolliert werde. Der EU-Kommissar für Wirtschaft und Währung sollte nächster Präsident der Eurogruppe werden.

Aus Sicht der Grünen ist «eine grundlegende Neuvermessung der europäisch-türkischen Beziehungen» nötig. Rüstungsexporte in die Türkei sollen gestoppt werden. Verhandlungen über eine Ausweitung der Zollunion könne es erst geben, «wenn die Türkei eine Kehrtwende zurück zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit vollzieht». Dies gelte auch für die Fortführung der EU-Beitrittsgespräche: «Sie jetzt komplett abzubrechen, würde das falsche Signal an die proeuropäischen und demokratischen Kräfte in der Türkei senden».

Die Grünen «halten konkrete Schritte für eine verstärkte Zusammenarbeit und Integration der Streitkräfte» für sinnvoll.

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