Die Hoffnung auf einen schnellen Rückgang der Inflation schwindet und in Deutschland fürchten viele Menschen einer Umfrage zufolge inzwischen um ihren Lebensstandard. Die Teuerungsrate im Euroraum stieg zu Jahresbeginn entgegen den Erwartungen weiter - und auch in Deutschland müssen Verbraucher nach Einschätzung von Volkswirten noch länger mit höherer Inflation leben. Steigende Preise etwa für Energie werden für immer mehr Privathaushalte zur Belastung, wie Umfragen zeigen. Der Druck auf Europas Währungshüter, die Politik des billigen Geldes zu beenden und gegenzusteuern, wächst.

«Das Thema Inflation ist mit Macht zurückgekehrt», sagte der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), Helmut Schleweis. Die Hoffnung, der enorme Preisauftrieb werde vorübergehender Natur sein, sei aus seiner Sicht «ein Irrglaube». Es bestehe «ein nicht zu vernachlässigendes Risiko», dass «uns der höhere Preisdruck länger erhalten bleibt», sagte Schleweis.

Verbraucherpreise im Euroraum steigen

Im Euroraum lagen die Verbraucherpreise im Januar um 5,1 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats, wie das Statistikamt Eurostat anhand erster Daten mitteilte. Dies ist der höchste Wert seit Einführung des Euro als gemeinsame europäische Verrechnungswährung 1999. Im Dezember lag die Inflationsrate im Euroraum bei 5,0 Prozent. Volkswirte hatten für Januar mit einem deutlichen Rückgang auf 4,4 Prozent gerechnet.

Auch in Deutschland blieb die Inflation im Januar entgegen den Erwartungen mit 4,9 Prozent auf relativ hohem Niveau. Der für die EZB-Geldpolitik maßgebliche harmonisierte Verbraucherpreisindex HVPI lag in Europas größter Volkswirtschaft gar um 5,1 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Die Chefvolkswirte der Sparkassen-Finanzgruppe erwarten für das Gesamtjahr 2022 in Deutschland eine Inflationsrate auf HVPI-Basis von 3,2 Prozent.

Schleweis warnte vor gesellschaftlichen Folgen der Entwicklung: «Knapp 50 Prozent der deutschen Haushalte haben gar keine Luft mehr für Inflation.» In einer Umfrage im Auftrag der Auskunftei Schufa gaben 44 Prozent der Verbraucher an, nicht genug Spielraum zu haben, um bei steigenden Preisen ihren Lebensstandard halten zu können. 28 Prozent der Befragten befürchten, dass es ihnen zunehmend schwerfallen wird, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

Besonders stark betroffen sind Geringverdiener

Einer ebenfalls am Mittwoch von der Unternehmensberatung Simon-Kucher & Partners veröffentlichten Erhebung zufolge hatten 54 Prozent der Konsumenten im vergangenen Jahr wegen der gestiegenen Verbraucherpreise das Gefühl, sich weniger leisten zu können als 2020. Besonders stark betroffen waren demnach Geringverdiener: Zwei Drittel der Befragten mit einem Haushaltsnettoeinkommen von unter 1500 Euro gaben an, über weniger Kaufkraft zu verfügen. Eine höhere Inflation schwächt die Kaufkraft von Verbrauchern, weil sie sich für einen Euro weniger kaufen können als zuvor.

Angeheizt wurde die Teuerung im Euroraum wie in Deutschland zuletzt vor allem von deutlich gestiegenen Energiepreisen. 81 Prozent der etwa 1000 Teilnehmer der Schufa-Umfrage gehen davon aus, dass bei Energie die Preise weiter steigen werden. «Vor allem die Preissteigerungen bei Strom und Benzin machen den Menschen Sorgen», erläutert Schufa-Vorstandsmitglied Ole Schröder.

Kritiker werfen der EZB vor, mit ihrer ultralockeren Geldpolitik die Inflation anzuheizen, die sie eigentlich im Zaum halten will. Die Notenbank strebt für den Euroraum der 19 Länder ein stabiles Preisniveau bei einer jährlichen Teuerungsrate von 2 Prozent an. Sie akzeptiert es, wenn diese Marke zeitweise etwas über- oder unterschritten wird.

EZB hält an Zinsen auf Rekordtief und Anleihenkäufen fest

Bislang hält die EZB an Zinsen auf Rekordtief und milliardenschweren Anleihenkäufen fest. Die Währungshüter argumentieren, ein baldiges Anheben der Zinsen würde die Erholung der Wirtschaft vom Corona-Schock bremsen. Die Notenbank geht zudem davon aus, dass die Inflationsraten im Laufe dieses Jahres sinken werden - weil treibende Faktoren weggefallen sind oder zurückgehen sollen wie die temporäre Mehrwertsteuersenkung in Deutschland oder weltweite Lieferengpässe.

Sparkassen-Präsident Schleweis hält eine expansive Geldpolitik angesichts der Inflationsentwicklung nicht mehr für gerechtfertigt. «Es wird erhebliche wirtschaftliche Konsequenzen haben, wenn die EZB nicht oder zu spät reagiert», warnte Schleweis. «Wenn die Inflation mehr als 18 Monate über dem kommunizierten Zielniveau liegt, drohen wir in eine gefährliche Lohn-Preis-Spirale hineinzuschlittern.» Schleweis betonte: «Bis Jahresende 2022 - spätestens - muss deshalb die EZB endlich geldpolitisch tätig werden.»

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 Inflation im Euroraum

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