Es dürfte für viele Eltern eine Horror-Vorstellung sein: Das Kind surft im Internet und stößt plötzlich auf ein Folter-Video, auf Terror-Botschaften oder auf Pornografie. Die EU will diesem Risiko nun mehr entgegensetzen. Das Europaparlament hat am Dienstag mit großer Mehrheit einer Neufassung der Richtlinie für audiovisuelle Medien zugestimmt, die unter anderem besseren Schutz für Kinder und Jugendliche im Netz und neue Regeln für Werbung verspricht.

Wenn formal noch die EU-Mitgliedstaaten grünes Licht geben, muss jedes Land die Vorgaben in eigene Gesetze gießen. Diese müssen bis voraussichtlich Herbst 2020 in Kraft sein.

Warum sind überhaupt neue Regeln nötig?

Die Richtlinie ist als Reaktion auf die veränderten Mediengewohnheiten gedacht: immer weniger TV, immer mehr mobile Geräte, immer mehr Internetvideos. Die überarbeiteten Vorschriften gelten wie bisher für Rundfunkanstalten, werden aber auf Online-Video-Dienste wie Netflix, YouTube und auch auf Facebook ausgeweitet. Bislang werden Verbraucher beim Fernsehen, Serien-Streamen und Video-Schauen im Netz unterschiedlich gut geschützt. Das soll sich ändern.

Und wo liegen die Probleme beim Schutz von Kindern und Jugendlichen im Netz?

Wenn Kinder beginnen, im Netz zu surfen, dann gehört Videos anzuschauen laut EU-Kommission zu ihren frühesten Vorlieben. Doch nicht alle Videos, die sie schauen, sind auch für sie gedacht: Medienaufseher fanden heraus, dass in Großbritannien allein in einem untersuchten Monat mindestens 44 000 Grundschulkinder Webseiten für Erwachsene besuchten. Anderes Problem: Auf Online-Plattformen startet am Ende eines Videos oft automatisch ein neues. Das kann dann wiederum schädliche Inhalte zeigen. Bislang rutschen außerdem laut EU-Kommission Videos durch die Kontrollmechanismen der Plattformen, die im Fernsehen verboten wären.

Wie will die EU junge Zuschauer vor Hetze und Gewalt im Netz schützen?

Online-Plattformen wie YouTube oder Facebook bekommen durch die neuen Regeln eine klare Mitverantwortung im Kampf gegen Hetze, gewaltverherrlichende oder andere schädliche Videos zugewiesen. Sie müssen künftig dafür sorgen, dass solche Inhalte - sobald gemeldet - schnell gelöscht werden. Dafür müssen sie gut funktionierende Meldemechanismen einführen. Die EU-Staaten können gegen Betreiber vorgehen, die gegen die Vorschriften verstoßen. Upload-Filter, die Inhalte schon beim Hochladen aussortierten, sind nicht vorgesehen.

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Säulen-Diagramm: Kinder in Deutschland und ihre Medien

Die Staaten müssen außerdem durchsetzen, dass gefährliche Inhalte auf Plattformen kenntlich gemacht werden, Alterskontrollen eingeführt werden und Eltern Möglichkeiten an die Hand bekommen, selbst zu steuern, was ihre Kinder sehen können und was nicht. Es sei in den vorgeschlagenen Regeln geglückt, das Kinder- und Jugendschutzniveau in Fernsehen und Internet anzugleichen, erklärte die sozialdemokratische EU-Abgeordnete Petra Kammerevert, die die neuen Vorschläge maßgeblich mit ausgearbeitet hat. «Weder Eltern und Kindern noch den Medienmachern kann man länger verständlich machen, warum im Fernsehen andere Regelungen gelten als bei der Online-Verbreitung.»

Welche neuen Werbe-Regeln sind vorgesehen?

Die neue Richtlinie soll dafür sorgen, dass Kinder möglichst wenig schädliche Werbung sehen - also zum Beispiel Werbespots für zuckrige Getränke, ungesunde Lebensmittel oder Alkohol. Produktplatzierungen oder gar Teleshopping-Sendungen sollen in Kinderprogrammen, auch im Internet, grundsätzlich verboten werden. An anderer Stelle muss Werbung immer als Werbung gekennzeichnet werden. Das gilt zum Beispiel auch, wenn ein Schmink-Tutorial mit kommerziellem Interesse auf YouTube hochgeladen wird. Werbespots für Tabakprodukte - auch für E-Zigaretten - bleiben verboten. Ein Verbot von Alkoholwerbung ist nicht vorgesehen.

An anderer Stelle werden die Zügel beim Werben allerdings gelockert: Die bislang geltende Regel «höchstens zwölf Minuten Werbung pro Stunde» wird mit der neuen Richtlinie abgeschafft. Stattdessen sollen Sender in der Zeit zwischen 18 und 24 Uhr 72 Minuten Werbung frei verteilen dürfen - dabei aber das Programm höchstens alle 30 Minuten unterbrechen.

Und wie soll die europäische Medienszene geschützt werden?

Video-Abruf-Dienste wie Netflix und Amazon Prime müssen künftig sicherstellen, dass mindestens 30 Prozent ihres Programms in Europa produziert wurden. Beim Fernsehen bleibt es bei 50 Prozent.

Von Violetta Heise und Michel Winde

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