Nach dem Ausscheiden Großbritanniens aus der Europäischen Union in der Nacht zum Samstag (1. Februar) zeichnen sich harte Verhandlungen über die künftigen Beziehungen zwischen London und Brüssel ab. Bis Ende des Jahres bleibt das Land noch in einer Übergangsphase, während der sich praktisch kaum etwas ändert. So lange haben beide Seiten Zeit, sich zu einigen, sonst droht wieder ein harter Bruch mit schweren Folgen für die Wirtschaft. Die Frist ist allerdings sehr knapp bemessen. Eine Verlängerungsoption, die noch bis Juli offensteht, lehnt Premierminister Boris Johnson kategorisch ab.

Ob in dieser Zeit ein Abkommen erreicht werden kann, ist fraglich, zumal sich beide Seiten hart geben. «Wir werden sehr fair verhandeln, aber sehr hart», sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Freitagabend dem ZDF. Die EU habe eine gute Ausgangsposition, weil sie bisher Absatzmarkt für fast die Hälfte aller britischen Exporte sei. Großbritannien habe großes Interesse am Zugang zu diesem Markt.

Von der Leyen stellte auch klar, dass die EU alle strittigen Punkte bei den künftigen Beziehungen nur im Paket vereinbaren will. Dazu gehören nicht nur die Handelsbeziehungen, sondern zum Beispiel auch Fischereirechte oder die Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen. «Erst wenn alles durchverhandelt ist, machen wir den Sack zu und eine Unterschrift drunter, es gibt keine Rosinenpickerei vorher.» In einigen Punkten sei die EU ganz klar im Vorteil, etwa beim Finanzsektor. Unterm Strich sei die EU in einer sehr starken Position.

Johnson will ein Freihandelsabkommen aushandeln

Johnson will mit der EU ein Freihandelsabkommen nach dem Vorbild Kanadas aushandeln und damit die Notwendigkeit von Zöllen und mengenmäßigen Beschränkungen weitgehend eliminieren. Doch Brüssel verlangt im Gegenzug einheitliche Standards für Umweltschutz, Arbeitnehmerrechte und staatliche Wirtschaftshilfen. Das kommt für Johnson nicht in Frage. Souveränität steht über reibungslosem Handel, so lautet nach Angaben des «Telegraph» das Credo des Premierministers. Am Montag (3. Februar) will er sich in einer Rede zu seinen Verhandlungszielen äußern. Auch die EU-Kommission will dann ihre Vorschläge für ein Verhandlungsmandat vorlegen.

«Wenn wir am Ende des Jahres keinen Vertrag fertig haben, dann wird es für die britische Wirtschaft sehr schwer, ihre Waren rüber zu liefern, zu uns zum europäischen Markt», warnte von der Leyen im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel. Dann wäre Großbritannien nur «wie irgendein Drittland».

Doch auch europäische Unternehmen dürfte ein Scheitern der Gespräche teuer zu stehen kommen. Wie der «Telegraph» berichtete, plant die britische Regierung nun doch, vollständige Kontrollen für EU-Waren einzuführen, sollte kein Abkommen zustande kommen. Bislang hatte es immer geheißen, Großbritannien werde selbst im Fall eines No Deal auf Kontrollen verzichten, um Verzögerungen in der Versorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten zu vermeiden.

«Europa ist nur so stark, wie wir es selber machen (...)»

Ob Europa während der Verhandlungen zusammenhalte, liege nur an den Europäern selbst, sagte von der Leyen der dpa. «Europa ist nur so stark, wie wir es selber machen, und das ist eine Aufgabe, die ich für mich selber annehme.»

Finanzminister Olaf Scholz sieht nach dem Brexit eine gewachsene Verantwortung Deutschlands für die Europäische Union. «Die Sicherung der europäischen Souveränität ist das wichtigste nationale Anliegen für die Bundesrepublik!», sagte der Politiker der «Neuen Osnabrücker Zeitung» (Samstag).

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament, David McAllister, forderte, die Beziehungen mit Großbritannien auf eine neue stabile Grundlage zu stellen. Ziel sei eine enge, umfassende Partnerschaft von einer abgestimmten Außen- und Sicherheitspolitik bis zur Kooperation in Wissenschaft, Energie und Fischerei, sagte der frühere niedersächsische Ministerpräsident der Oldenburger «Nordwest-Zeitung» (Samstag). An eine baldige Rückkehr der Briten in den Kreis der EU-Staaten glaubt er nicht. Grundsätzlich bleibe die Tür aber offen. Zumindest bei einem Teil Großbritanniens dürfte er damit auf Interesse stoßen. «Schottland wird als unabhängiges Land ins Zentrum Europas zurückkehren», twitterte die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon am Freitagabend.

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