Nach der historischen Ablehnung des Brexit-Vertrages im britischen Parlament fordern EU-Spitzenpolitiker zügige Ansagen der Regierung in London. Großbritannien müsse nun alleine eine Lösungsmöglichkeit entwickeln, wurde Kanzlerin Angela Merkel am Mittwoch (16. Januar) nach einer Sitzung im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages von Teilnehmern zitiert. Die CDU-Politikerin habe sich gegen Neuverhandlungen des Austrittvertrages zwischen London und Brüssel ausgesprochen. Gesprächen über eine Präzisierung des Verhältnisses Großbritanniens mit der EU würde sie sich aber nicht verweigern. Die Zeit drängt: Großbritannien will die Europäische Union am 29. März verlassen.

In London muss sich Premierministerin Theresa May nach ihrer Niederlage im britischen Unterhaus am Mittwochabend einer Misstrauensabstimmung stellen. Es gilt als wahrscheinlich, dass sie die nötigen Stimmen bekommt und weitermachen kann. An diesem Montag will sie einen Plan B vorlegen, um einen chaotischen EU-Austritt Großbritanniens ohne Abkommen doch noch zu verhindern. Wenn ein «No Deal»-Austritt ohne Abkommen verhindert werden soll, muss es bis Ende März eine Einigung geben.

Ihre Bemühungen um einen geregelten Brexit will Merkel indes fortsetzen. «Wir wollen den Schaden - es wird in jedem Fall einen Schaden geben durch den Austritt Großbritanniens - so klein wie möglich halten. Deshalb werden wir natürlich versuchen, eine geordnete Lösung weiter zu finden», sagte sie. Die Bundesregierung sei aber auch vorbereitet, wenn es keine geordnete Lösung gebe.

«Die Zeit der Spielchen ist jetzt vorbei»

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker habe eine gemeinsame Linie mit den europäischen Hauptstädten abgesteckt, sagte sein Sprecher Margaritis Schinas in Brüssel. Er forderte die britische Regierung erneut auf, zunächst ihre Position zu klären. «Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es nichts, was die EU noch tun könnte», sagte Schinas.

Außenminister Heiko Maas forderte die Briten auf, ihre Position möglichst schnell zu klären. «Die Zeit der Spielchen ist jetzt vorbei», sagte der SPD-Politiker im Deutschlandfunk. Die SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Katarina Barley, forderte zügige Vorschläge von London, wie das weitere Verfahren aussehen könne.

«Ein geordneter Austritt bleibt in den nächsten Wochen unsere absolute Priorität», sagte EU-Chefunterhändler Michel Barnier im Europaparlament. Allerdings sei die Gefahr eines «No Deal»-Brexits so groß wie nie. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier warnte vor den möglichen Folgen: «Es würden alle in Europa verlieren», sagte der CDU-Politiker im «Morgenmagazin» des ZDF. Vor allem die Briten würden unter einem ungeregeltem Ausstieg leiden. Dies hätte schwere Konsequenzen für Wohlstand und Arbeitsplätze.

Das Parlament hatte das ausgehandelte Brexit-Abkommen abgelehnt

Am Dienstagabend hatte das Parlament das zwischen Brüssel und London ausgehandelte Brexit-Abkommen überraschend deutlich abgelehnt. Premierministerin May kündigte an, sich mit allen Parteien zu treffen, falls das Parlament ihr das Vertrauen ausspreche.

EU-Politiker sehen jetzt Großbritannien am Zuge. «Bitte, bitte, bitte, sagt uns endlich, was ihr erreichen wollt», appellierte der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber (CSU), an das britische Parlament. Gleichzeitig bekräftigten die EU-Politiker, dass sie keine Alternative zu dem in Großbritannien abgelehnten Austrittsabkommen sehen und Nachbesserungen oder Zugeständnisse an London ablehnen. «Die Einigung, die wir mit der britischen Regierung gefunden haben - diese Vereinbarung von fast 600 Seiten - ist eine gute Vereinbarung», sagte EU-Chefunterhändler Michel Barnier. «Es ist natürlich ein Kompromiss. Aber es ist der bestmögliche Kompromiss.»

In der Wirtschaft und bei Verbrauchern sorgte die Ablehnung des Abkommens für Verunsicherung. «Ein «No Deal» bedeutet nicht einfach nur Güterhandel mit Zöllen, sondern dürfte den Handel zwischen der EU und Großbritannien vorübergehend komplett zum Erliegen bringen», sagte der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Dennis Snower. Der Präsident des Maschinenbauverbandes VDMA, Carl Martin Welcker, nannte es «schlicht verantwortungslos, dass die britische Regierungskoalition zehn Wochen vor dem Austrittstermin noch um eine einheitliche Position streitet».

Die Anleger an den Aktienmärkten reagierten gelassen

Der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), Klaus Müller, forderte, Großbritannien müsse alles für einen geregelten Austritt tun. Viele Verbraucher planten bereits ihren Osterurlaub. «Sie brauchen dringend Klarheit darüber, welche Regeln dann gelten werden und ob sie bei einem Urlaub in Großbritannien noch auf ihre gewohnten Rechte vertrauen können.» Pharmaverbände warnen im Falle eines ungeordneten Brexits vor Engpässen bei Medikamenten.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hält es für wahrscheinlich, dass die Briten nachverhandeln und dann erneut im Parlament abstimmen wollen. Er sei aber nicht sonderlich davon überzeugt, denn beim Brexit-Deal sei man schon zum Äußersten gegangen. Dass die Briten erneut über den Brexit abstimmen könnten, hält der britische Botschafter Sebastian Wood für unwahrscheinlich. «Im Moment sehe ich keine Mehrheit im Parlament für ein zweites Referendum», sagte er im ZDF-«Morgenmagazin».

Die Anleger an den Aktienmärkten reagierten gelassen auf die klare Ablehnung des Brexit-Abkommens. Europas Börsen legten sogar ein wenig zu. 

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 Ergebnis der Abstimmung über das Brexit-Abkommen mit der EU

 

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