Deutschland und Frankreich wollen in einem neuen Anlauf den Konflikt in der Ostukraine entschärfen. Zu dem Gipfel am Montagnachmittag (9. Dezember) in Paris kommen Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron und Kanzlerin Angela Merkel mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und dessen ukrainischem Kollegen Wolodymyr Selenskyj im Élyséepalast zusammen. Vor dem Gipfel dauern die Proteste gegen mögliche Zugeständnisse an Russland in der ukrainischen Hauptstadt Kiew an. Selenskyj gerät damit innenpolitisch weiter unter Druck.

Direkt vor dem Präsidentensitz hielten sich in der Nacht zum Montag bei Temperaturen um den Gefrierpunkt mehrere Hundert Demonstranten auf. Am Vorplatz wurden große Zelte zum Aufwärmen aufgestellt. Bereits am Sonntag hatte es landesweit Proteste gegeben.

Es ist das erste persönliche Treffen von Selenskyj mit Putin. Beide Präsidenten hatten bislang nur miteinander telefoniert, um den Konflikt in den von den Separatisten kontrollierten Gebieten zu lösen. Der seit 2014 dauernde Krieg sollte zentrales Thema bei dem Gipfel unter Vermittlung von Deutschland und Frankreich sein. Ein solches Treffen hatte es zuletzt vor gut drei Jahren gegeben.

«Eine schwelende Wunde in Europa»

In den ostukrainischen Regionen Donezk und Luhansk stehen sich ukrainische Regierungstruppen und prorussische Separatisten gegenüber. Rund 13 000 Menschen sind nach UN-Schätzung bisher ums Leben gekommen. Nach Darstellung Moskaus haben seit April rund 160 000 Menschen aus der Ostukraine die russische Staatsbürgerschaft beantragt. Davon hätten bereits rund 125 000 Ukrainer einen russischen Pass bekommen.

Durch ein vereinfachtes Verfahren und den Abbau bürokratischer Hürden für Bürger aus den umkämpften Gebieten ist es seit dem Frühjahr leichter, Russe zu werden. Kremlchef Putin hatte einen entsprechenden Erlass im April unterzeichnet. Die Ukraine protestierte dagegen.

Vor dem Spitzentreffen rief Bundesaußenminister Heiko Maas zur Befriedung der Ukraine auf. Der Konflikt im Osten des Landes sei «eine seit Jahren schwelende Wunde in Europa», sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Montag). Selenskyj habe mit mutigen Schritten eine neue Dynamik in Gang gebracht. «Um bei den schwierigen nächsten Schritten voranzukommen, muss auch Russland sich bewegen», forderte Maas. Es müsse nun eine «russische Antwort» auf Selenskyj geben, hieß es aus Kreisen von Macrons Präsidialamt.

Die EU entscheidet über weitere Wirtschaftssanktionen

Wenige Tage nach dem Treffen in Paris will die EU über eine Verlängerung der Wirtschaftssanktionen gegen Russland entscheiden. Maas sieht bislang kaum Chancen auf ein schnelles Auslaufen dieser Strafmaßnahmen. «Es wäre schön, wenn wir irgendwann dahin kämen», sagte er in Brüssel. Bislang gebe es aus seiner Sicht aber keine Veränderungen, aus denen man Konsequenzen ziehen könnte.

Die Wirtschaftssanktionen der EU waren zuletzt im Juni bis zum 31. Januar 2020 verlängert worden. Es gilt als wahrscheinlich, dass die Staats- und Regierungschefs beim EU-Gipfel am Donnerstag eine Fortführung um weitere sechs Monate in Auftrag geben.

Allein das persönliche Treffen Putins mit Selenskyj in der französischen Hauptstadt wird von den Gastgebern als Erfolg verbucht. Geplant ist nach Angaben aus Kiew und Moskau ein Vier-Augen-Gespräch. Dabei solle der Gastransit durch die Ukraine besprochen werden. Ein Vertrag dazu läuft zum Jahresende aus, die Verhandlungen für eine Verlängerung stocken.

Der Gipfel wird auch als «Normandie-Treffen» bezeichnet

Der Gipfel wird auch als «Normandie-Treffen» bezeichnet, weil es die erste Zusammenkunft dieser Art im Juni 2014 in der Normandie gab. Kiew will die Kontrolle über den ukrainisch-russischen Grenzabschnitt zurück, der von prorussischen Separatisten kontrolliert wird. Diese werden von Moskau unterstützt. Zudem fordert die Ukraine einen weiteren Gefangenenaustausch und einen Waffenstillstand. Ein Friedensplan, der 2015 in der weißrussischen Hauptstadt Minsk ausgehandelt wurde, liegt weitgehend auf Eis.

Macrons Gipfel-Gäste erleben Paris in einer angespannten Atmosphäre. Auch am Montag wurden die Pariser Metro und Vorstadtzüge wieder bestreikt. Rund um die Hauptstadt gab es Hunderte Kilometer Staus. Grund sind die Streiks gegen die geplante Rentenreform.

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 "Ostukraine mit von Separatisten kontrolliertem Gebiet und Minsker Sicherheitszone"

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