Niamey - Nach dem Putsch im Niger hat Deutschland mit seinen internationalen Partnern den Druck auf die neuen Militärmachthaber in dem westafrikanischen Land erhöht. Gelder für die Entwicklungszusammenarbeit liegen auf Eis. Auch Frankreich, die EU sowie die Afrikanische Union und der westafrikanische Staatenbund Ecowas drohen den Putsch-Generälen mit Sanktionen - Ecowas sogar mit Gewalt. Die Nervosität der internationalen Gemeinschaft zeigt: Die Krise im Niger könnte weitreichende Folgen für die Region und auch für Europa haben.

Droht eine neue Migrationsbewegung Richtung Europa?

Der Niger - mehr als dreimal so groß wie Deutschland - ist eines der wichtigsten Transitländer für afrikanische Migranten in Richtung Europa. Viele Menschen flüchten aus den Nachbarländern Mali, Burkina Faso und Nigeria vor den in der Region aktiven islamistischen Terrormilizen. Eine wichtige Route führt über den Niger nach Libyen und Algerien. Seit seinem Amtsantritt im April 2021 war der prowestliche, reformorientierte und nun abgesetzte Präsident Mohamed Bazoum ein wichtiger Verbündeter der EU. Die EU kooperiert mit dem Niger bereits seit 2015 - vor allem, um die kritische Migrationsroute von der nigrischen Wüstenstadt Agadez nach Libyen zu blockieren.

Fluchtrouten durch den Niger

Sollte die neue Militärjunta diese Vereinbarungen nicht länger einhalten, könnte die Strategie der Europäischen Union zur Eindämmung der Migration über das Mittelmeer zusammenbrechen, meint der Sahel-Experte der Konrad-Adenauer-Stiftung, Ulf Laessing. Laut dem Bundesentwicklungsministerium fliehen bereits jetzt jährlich 150 000 Menschen über den Niger in Richtung Europa. Der Niger mit seinen rund 26 Millionen Einwohnern selbst ist eines der ärmsten Länder der Welt.

Warum verliert der Westen an Einfluss im Niger und der Sahel-Region?

Die ehemalige Kolonialmacht Frankreich engagiert sich seit Jahren in der Sahel-Region im Kampf gegen den Terrorismus. Mit der Militäroperation Barkhane wollte Frankreich in den Wüstenstaaten Mali, Burkina Faso, dem Niger aber auch in Mauretanien und dem Tschad gegen die Ausbreitung islamistischer Terrormilizen vorgehen. Die Region hat sich in den vergangenen Jahren dennoch zu einem Zentrum des islamistischen Terrorismus entwickelt. Die Sahel-Milizen haben teilweise dem Islamischen Staat oder Al-Kaida die Treue geschworen. In Mali sollte neben der Operation Barkhane auch die UN-Friedensmission Minusma für Stabilität in Nigers Nachbarland sorgen.

Nachhaltigen Erfolg hatten diese Missionen nicht. Vielmehr wurden die fremden Truppen im Laufe der Zeit in den Ländern als «Teil des Problems» gesehen, wie es die Militärjunta in Mali bezeichnete. Nach der Machtübernahme des Militärs in Mali und Burkina Faso sind die UN-Blauhelme und Frankreichs Soldaten nicht mehr erwünscht. Die UN - und damit auch die Bundeswehr - müssen Mali bis Ende 2023 verlassen. Die beiden Sahel-Länder orientieren sich längst in Richtung Russland und dessen Wagner-Gruppe. Deren Chef Jewgeni Prigoschin lockt seinerseits mit dem Versprechen, die Dschihadisten zurückzudrängen - im Niger seien dafür lediglich 1000 seiner Männer nötig, schrieb dieser unlängst auf Telegram.

Der Niger galt bis zuletzt als einer der letzten Verbündeten des Westens in der Region und hatte sich unter der Regierung Bazoums bemüht, ein stabiler Partner des Westens zu werden. Die Bundeswehr unterhält einen Lufttransportstützpunkt in Niamey für das militärische Engagement in Westafrika, auf dem rund 100 deutsche Soldaten arbeiten. Kampfschwimmer der Deutschen Marine waren in den vergangenen Jahren an der Ausbildung nigrischer Spezialkräfte im Grenzgebiet zu Mali beteiligt. Ende 2022 hatte die EU zudem eine Militärmission im Niger beschlossen. Die Bundeswehr stellt für diese auf drei Jahre angelegte EU-Mission bisher nur wenige Soldaten, die in der Hauptstadt Niamey sind. Ob diese Partnerschaft nun weitergeführt werden kann, ist unklar.

Warum ist der Niger wirtschaftlich wichtig für Europa?

Insbesondere die ehemalige Kolonialmacht Frankreich hat großes wirtschaftliches Interesse an den Rohstoffen im Niger. Laut dem Sahel-Experten Alain Antil war der Niger auf die letzten zehn Jahre gesehen der fünftgrößte Uran-Lieferant des Landes. Nur Namibia produziert in Afrika mehr Uran. Doch nicht nur Frankreich profitiert von den großen Uranvorkommen im Niger. Der Euratom-Versorgungsagentur zufolge deckt die gesamte EU knapp ein Viertel ihres Uranbedarfs mit Importen aus dem Niger. Die Agentur ist eine Organisation der EU, die sicherstellen soll, dass die europäischen Staaten mit Material zur Erzeugung von Atomstrom versorgt wird. Neben Uran verfügt der Niger zudem über Gold- und Kohlevorkommen.

Was bedeutet der Putsch für die Region?

Die westafrikanische Staatengemeinschaft Ecowas hatte den Putsch im Niger scharf kritisiert. Dem Bund gehören 15 Länder in Westafrika an, die einen Binnenmarkt sowie eine Währungsunion anstreben. Die Mitglieder forderten nach einer Dringlichkeitssitzung am Sonntag die Freilassung von Präsident Bazoum innerhalb einer Woche. Überraschend scharf war die Androhung von Gewalt, sollten die Putschisten das Ultimatum nicht einhalten. Zudem drohte Ecowas die juristische Verfolgung der Militärjunta an. Unklar ist, ob Ecowas tatsächlich eine militärische Intervention im Niger anstrebt. Die Furcht ist jedoch groß, dass mit dem Rückzug des Westens aus dem Niger die Dschihadisten weiter vorrücken könnten und selbst in den vergleichsweise stabilen Ländern der Ecowas-Gruppe wie Ghana oder der Elfenbeinküste (Côte d'Ivoire) Fuß fassen könnten.