Die Zahlen klingen dramatisch. «Elf Millionen Tonnen Lebensmittel entsorgen Industrie, Handel, Großverbraucher und Privathaushalte in Deutschland jedes Jahr als Abfall», schreibt das Agrarministerium. «Jedes achte Lebensmittel, das wir in Deutschland einkaufen, landet in der Tonne. Pro Person und Jahr sind das nach Zahlen aus dem Jahr 2012 durchschnittlich 82 Kilogramm Lebensmittel.»

Saure Milch, verschimmelte Zucchini, gammlige Äpfel, die Reste vom Abendessen, die im Biomüll landen. Dazu tonnenweise Verderbliches, das Supermärkte und Restaurants entsorgen. Einer Studie der Bundesregierung zufolge ist das Problembewusstsein ausgeprägt: 96 Prozent der Befragten glauben, dass auch Essen im Müll landet, das noch genießbar gewesen wäre.

Dabei entsorgen Jüngere öfter Essbares als die älteren Gerenationen, wie eine Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln zeigt. 92 Prozent der Deutschen im Alter von 21 bis 51 Jahren werfen Essen weg, knapp vier von zehn tun das sogar einmal die Woche. Dagegen wirft ein Drittel der Menschen, die vor 1945 geboren wurden, nach eigenen Angaben Lebensmittel nie in den Müll. In der Nachkriegs-Generation bis Jahrgang 1954 sind es rund 27 Prozent. Wer mit Entbehrungen aufgewachsen ist, hat offensichtlich ein anderes Verhältnis zum Essen als Generationen, für die Überfluss normal ist.

Wasser und andere knappe Ressourcen werden verschwendet

Weltweit landet ein Drittel der produzierten Nahrung nicht auf den Tellern - dabei haben den Vereinten Nationen zufolge 795 Millionen Menschen nicht genug zu essen. Dass Lebensmittel nicht effizient verbraucht werden, ist nicht nur ein ethisches Problem. Arbeitskraft, Boden, Wasser und andere knappe Ressourcen werden verschwendet. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) beziffert die Kosten für Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft weltweit auf 2,6 Billionen US-Dollar pro Jahr.

Bis 2030 will Deutschland die Lebensmittelverschwendung pro Kopf um die Hälfte reduzieren. Das Ernährungsministerium gibt über das Portal «Zu gut für die Tonne» Tipps, wie sich in der heimischen Küche Müll vermeiden lässt.

Diesen Fokus auf Verbraucher kritisiert die Organisation Foodwatch - wie auch die oft zitierten 82 Kilo Lebensmittel-Müll pro Person. Denn da würden auch Knochen oder Bananenschalen hineingerechnet, von denen niemand erwarte, dass sie auf dem Teller landen. Insofern ist aus Sicht des Vereins auch die Angabe falsch, 61 Prozent der Lebensmittelabfälle fielen in Haushalten an.

Verbraucher müssen ihr Konsumverhalten hinterfragen - und ändern

«Die Daten von Unternehmen basieren hingegen nur auf freiwilligen Angaben, und Zahlen zu Abfällen aus der Landwirtschaft wurden gar nicht berücksichtigt», kritisiert Oliver Huizinga von Foodwatch. Er fordert gesetzliche Vorgaben für den Handel, die Industrie und die Landwirtschaft.

«Dem Konsumenten oder gar der jüngeren Generation dafür allein die Schuld zu geben, greift viel zu kurz», findet auch Tanja Dräger de Teran vom WWF. Verbraucher müssten ihr Konsumverhalten hinterfragen, der Handel seine Marketingstrategien. Zudem brauche es nach der Bundestagswahl eine Strategie «mit klaren Zielvorgaben, Zuständigkeiten und vor allem einer entsprechenden Finanzierung».

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Treibhauseffekt: Die weltweite Lebensmittelverschwendung führt auch zu einem Anstieg der Treibhausgase.

3,5 Millionen Tonnen vermeidbare Lebensmittelabfälle

Das vom Ernährungsministerium mitfinanzierte Projekt Refowas untersucht, wo wie viele Lebensmittel aus welchem Grund in der Tonne landen. Einem Zwischenergebnis zufolge verzeichnen private Haushalte mit rund 3,5 Millionen Tonnen jährlich den größten Anteil an vermeidbaren Lebensmittelabfällen. Darauf folgen die Landwirtschaft mit rund 1,7 Millionen Tonnen, die Verarbeitung mit rund 1,5 Millionen Tonnen, die Außer-Haus-Verpflegung mit etwa einer Million Tonnen pro Jahr und der Handel mit 351 000 Tonnen jährlich.

So sind es demnach vor allem die Bürger, die beim Einkaufen, Kochen, Lagern und beim Essen etwas gegen die Verschwendung tun können. Refowas-Projektleiter Thomas Schmidt vom Braunschweiger Institut für Ländliche Räume zufolge sind die Konsumenten die «wichtigsten Akteure» - 44 Prozent des Potenzials beim Müll-Sparen liege in den Haushalten.

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