Brüssel – Wie eng verpartnert sich die Europäische Union langfristig mit ihrem abtrünnigen Mitglied Großbritannien? Darum vor allem geht es in der nächsten Etappe der Brexit-Verhandlungen, die der EU-Gipfel in Brüssel am Freitag einläutet. Das ist für Firmen spannend, die ihre Waren nach dem EU-Austritt und der geplanten Übergangsfrist weiter auf die Insel liefern wollen. Aber auch für ganz normale Bürger, die künftig nach Großbritannien reisen oder gar dorthin ziehen wollen. Sechs Punkte, die jetzt wichtig werden:

1. Theresa May will etwas ganz Neues

Premierministerin Theresa May hat Anfang März ihre Eckpunkte in einer Rede klar benannt: Großbritannien will nicht nur raus aus der EU, sondern auch aus dem gemeinsamen Binnenmarkt und der Zollunion. Gleichzeitig will sie «eine möglichst breite und tiefe Partnerschaft» – umfangreicher und enger «als in irgendeinem Freihandelsabkommen weltweit». Dazu gehört für sie «möglichst reibungsloser Handel», ohne schädliche Grenz- und Zollkontrollen, mit «tieferem und breiterem Marktzugang» als etwa der EU-Handelspartner Kanada.

2. Die EU bietet ein Abkommen von der Stange

Geht so nicht, sagt dazu die EU. «Außerhalb der Zollunion und des Binnenmarkts zu sein, wird unausweichlich zu Reibung im Handel führen», stellt sie im Entwurf ihrer Leitlinien für die nächste Verhandlungsetappe fest. «Dies wird leider negative wirtschaftliche Folgen haben, vor allem für Großbritannien.» Möglich sei ein Freihandelsabkommen. Das könne aber nicht «einer Teilnahme am Binnenmarkt oder Teilen davon gleichkommen».

3. Die Geschichte mit dem Kuchen und den gepickten Rosinen

Die EU wirft der britischen Regierung vor, sich das Beste aus beiden Welten auszusuchen: Abkehr von gemeinsamen EU-Regeln und Pflichten, aber doch fast wie bisher Zugang zu einem riesigen Markt mit künftig knapp 450 Millionen EU-Bürgern. Solches «Rosinenpicken» könne es nicht geben, erklärt die EU streng. Das Bild mit der Rosine – im Englischen übrigens Kirsche – strapaziert die EU bereits seit der Entscheidung der Briten für den EU-Austritt 2016. Die britische Regierung ist daran nicht ganz unschuldig, behauptete Außenminister Boris Johnson doch in Abwandlung eines Sprichworts: «Du kannst den Kuchen essen und ihn danach immer noch haben.»

4. Wenn das Spielfeld schief ist

Überhaupt regt der Brexit offenbar an zu bildhafter Sprache. So fordert die EU nun immer nachdrücklicher ein «level playing field» - ein ebenes Spielfeld. Man kann sich das vielleicht so vorstellen: Steht der Kickertisch krumm, kugelt der Ball von alleine ins gegnerische Tor. Sollte Großbritannien - befreit von den EU-Vorgaben - Umwelt- und Sozialstandards lockern, Löhne drücken oder mit paradiesischen Steuersätzen locken, dann könnte es dem Kontinent Geschäfte abluchsen. Die EU besteht deshalb auf «Garantien» mit dem Ziel, «unfaire Wettbewerbsvorteile» zu unterbinden. May hat das aber schon angeboten. Man brauche «gegenseitig verbindliche Verpflichtungen, um fairen und offenen Wettbewerb zu sichern», sagte sie in ihrer Rede. Einen Wettlauf nach unten werde es nicht geben.

5. Geht es ohne Schlagbaum und Zollhäuschen?

Kilometerlange Lkw-Schlagen wegen Kontrollen auf beiden Seiten des Ärmelkanals, das gehört zu den Horrorvorstellungen vieler Unternehmen nach dem Brexit. May suggeriert: Das muss nicht sein. Gemeinsame Liefer- und Produktionsketten sollten erhalten bleiben, versichert sie. Wichtig wäre das etwa in der Autoindustrie, die derzeit Teile munter über EU-Grenzen hin und her bringt, bis daraus letztlich ein Wagen zusammengeschraubt ist. Dazu schlägt May «sehr stark angeglichene Zollarrangements» vor, die physische Kontrollen quasi überflüssig machen würden. Auch das hält die EU aber für utopisch. Bei eigenen britischen Zöllen und Regeln würden Kontrollen unausweichlich, bescheidet sie kühl.

6. Strategische Skepsis

Trotz der kategorischen Absage Mays hat die EU nach Angaben von Diplomaten die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass Großbritannien nach dem EU-Austritt doch im Binnenmarkt und der Zollunion bleibt. Handel und Kooperation wären dann viel einfacher, und die gefürchtete feste Grenze zwischen Irland und dem britischen Nordirland wäre leicht vermeidbar. Politisch wäre zudem der Beweis erbracht, dass sich ein harter Bruch mit der EU nicht lohnt. Deshalb lockt man mit möglichen Zugeständnissen: Die EU bietet ausdrücklich an, ihr Angebot nachzubessern, sollte Großbritannien seine «roten Linien» überdenken.

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