Brüssel - An der umstrittenen Blitzbeförderung des Deutschen Martin Selmayr zum höchsten Beamten der EU-Kommission hat nach dem Europaparlament nun auch die EU-Bürgerbeauftragte vernichtende Kritik geübt. Ombudsfrau Emily O'Reilly prangerte am Dienstag «Verwaltungsmissstände» an, weil «die Kommission die einschlägigen Regeln nicht korrekt anwandte, weder ihrem Wortlaut noch ihrem Sinn nach». Die Kommission vertrat dennoch die Ansicht, O'Reilly habe «die Rechtmäßigkeit des Verfahrens zur Ernennung» nicht in Frage gestellt.
Selmayr, damals Kabinettschef von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, war nach einem Bewerbungsverfahren im Februar zunächst zum Vize-Generalsekretär der EU-Kommission berufen worden. Nur Minuten später beförderte das Kollegium der Kommissare den 47-jährigen direkt zum Generalsekretär, als Juncker überraschend den Rückzug des Amtsinhabers Alexander Italianer bekanntgab. Juncker und Selmayr wussten nach eigenen Angaben aber schon lange vorher, dass Italianer zu dem Zeitpunkt gehen wollte, und hielten dies geheim.
Gefahr für das «öffentliche Vertrauen»
«Die Kommission kreierte künstlich den Eindruck von Dringlichkeit für die Neubesetzung der Stelle des Generalsekretärs, um rechtfertigen zu können, dass keine Stellenausschreibung veröffentlicht wurde», monierte O'Reilly. Zudem sei das Auswahlverfahren für den Vize- Generalsekretär nur organisiert worden, um Selmayr in zwei Schritten rasch zum Generalsekretär zu machen. Auf berechtigte Bedenken habe sich die Kommission «defensiv, ausweichend und teilweise sogar aggressiv» geäußert. Alles zusammen habe riskiert, «das öffentliche Vertrauen in Gefahr zu bringen», schloss O'Reilly.
Selmayrs Beförderung hatte schon im Frühjahr heftige Kritik ausgelöst. Letztlich stand der Verdacht im Raum, Juncker habe seinem Vertrauten den Spitzenposten in einem undurchsichtigen Verfahren ohne Konkurrenten zugeschanzt. Das Europaparlament kam zu dem Schluss, die Art Berufung «könnte als putschartige Aktion gesehen werden, die die Grenzen des Rechts dehnt oder sogar überdehnt».
Spezielles Ernennungsverfahren gefordert
Die Kommission hatte indes stets betont, alle Regeln seien eingehalten worden. Zu O'Reillys Vorwürfen erklärte der für Personal zuständige deutsche Kommissar Günther Oettinger, man teile «nicht alle Aspekte» des Prüfberichts. Doch begrüße die Kommission, dass die Bürgerbeauftragte «weder die Rechtmäßigkeit des Verfahrens zur Ernennung des Generalsekretärs noch die Entscheidung für den Bewerber in Frage stellt».
Die Bürgerbeauftragte, an die sich jeder mit Beschwerden über die EU-Institutionen wenden kann, hatte ihre Überprüfung im Mai auf zwei Eingaben hin eröffnet. Als Konsequenz aus ihrer Analyse forderte sie die Kommission auf, ein spezielles Ernennungsverfahren für das Amt des Generalsekretärs zu entwickeln, «um eine Wiederholung der Ereignisse zu vermeiden».
Dazu erklärte Oettinger jedoch, man sehe auf den ersten Blick keinen Grund für ein besonderes Berufungsverfahren. Nur gemeinsam mit anderen EU-Institutionen könne man aktuelle Vorschriften und Verfahren überdenken. Dazu habe er für den 25. September ein Gespräch am Runden Tisch einberufen.
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