Brüssel  - Wohl kaum eine andere EU-Entscheidung hat so große Bedeutung wie diese: Die EU muss entscheiden, wie viel Geld sie im kommenden Jahrzehnt ausgeben will. Bei einem Gipfeltreffen in Brüssel werden die Staats- und Regierungschefs an diesem Freitag erstmals Argumente und Standpunkte austauschen. Heftiger Streit ist programmiert - vor allem, nach den Äußerungen von Kanzlerin Angela Merkel am Donnerstag im Bundestag.

Fragen und Antworten im Überblick:

Warum ist die Finanzplanung so wichtig?

Mit dem sogenannten mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) werden jeweils für sieben Jahre die Höhe der Einnahmen und Ausgaben der EU verbindlich festgelegt. Das heißt: Die Mitgliedstaaten müssen sich grundsätzlich bereits jetzt darüber einig werden, wofür die EU im kommenden Jahrzehnt wie viel Geld ausgeben soll. Die Entscheidung muss am Ende einstimmig fallen. Der aktuelle MFR, der noch bis Ende 2020 läuft, hat einen Umfang von rund 1000 Milliarden Euro.

Wieso dürfte es Streit geben?

Die Interessen der Mitgliedstaaten sind sehr unterschiedlich. Länder wie Frankreich wollen zum Beispiel viel Geld dafür ausgeben, eine funktionierende Landwirtschaft in der EU zu erhalten. Andere rufen vor allem nach Forschungsförderung oder einem stärkeren gemeinsamen Außengrenzschutz zur Abwehr illegaler Migration. Vor allem die mitteleuropäischen Staaten wollen nicht die für sie so wichtigen EU-Hilfsmittel für strukturschwache Regionen verlieren.

Kann nicht einfach weitergemacht werden wie bisher?

Nein. Durch den von Großbritannien geplanten EU-Austritt werden im Gemeinschaftshaushalt jährlich zwischen 12 und 14 Milliarden Euro fehlen, denn das Land hat mehr eingezahlt als wieder herausbekommen. Dieses Geld muss eingespart oder von den verbleibenden 27 EU-Staaten aufgebracht werden. Hinzu kommt, dass in der EU grundsätzlich Einigkeit darüber herrscht, dass für Bereiche wie Außengrenzschutz und Verteidigung mehr Geld vorgesehen werden sollte als im Finanzrahmen 2014 bis Ende 2020.

Wie geht Deutschland in die Verhandlungen?

Eine künftige große Koalition wäre grundsätzlich zu höheren Beiträgen zum EU-Haushalt bereit. Das haben Union und SPD vereinbart, unter dem Vorbehalt, dass die EU sich auf «Aufgaben der Zukunft mit europäischem Mehrwert» konzentrieren müsse. Bei ihrer Regierungserklärung am Donnerstag ist Merkel dann mit einer Forderung vorgeprescht. Die Verteilungskriterien für EU-Gelder für strukturschwache Regionen sollten «künftig auch das Engagement vieler Regionen und Kommunen bei der Aufnahme und Integration von Migranten widerspiegeln». Mit anderen Worten: Wer sich bei der Aufnahme von Flüchtlingen querstellt, muss damit rechnen, bei der europäischen Vergabe von Milliardenbeträgen schlechter abzuschneiden.

An wen richtet sich diese Drohung?

Merkel nennt keine Namen. Betroffen wären aber osteuropäische Staaten, die sich gegen die Aufnahme von schutzbedürftigen Flüchtlingen aus den überlasteten Ankunftsländern Italien und Griechenland wehren. Das sind vor allem Ungarn, Tschechien, die Slowakei und Polen.

Um wie viel Geld geht es?

Polen ist mit 104,92 Milliarden Euro zwischen 2014 und 2020 der größte Bezieher von Strukturgeldern in der EU. Tschechien rangiert mit 32,38 Milliarden Euro im oberen Mittelfeld, vor Ungarn mit 29,65 Milliarden Euro. Die Slowakei bekommt 19,56 Milliarden Euro.

Hat der Vorschlag von Merkel Erfolgsaussichten?

Wenn er als finanzieller Ausgleich für Länder wahrgenommen wird, die Flüchtlinge aufnehmen, vielleicht schon - wenn er als Bestrafung wahrgenommen wird, eher nicht. Grundsätzliches Problem ist, dass derzeit nicht einmal alle EU-Staaten bereit scheinen, wie Deutschland höhere Beiträge zum EU-Haushalt zu leisten. Länder wie die Niederlande, Schweden, Dänemark und Österreich stehen beispielsweise einer Beitragserhöhung sehr skeptisch gegenüber.

Was könnten Kürzungen des EU-Haushalts für Deutschland bedeuten?

Am meisten profitieren derzeit strukturschwache Regionen, vor allem in Ostdeutschland und Niedersachsen. Sie erhalten aus dem laufenden MFR rund 19,2 Milliarden Euro. Die deutschen Bauern bekommen etwa fünf Milliarden Euro pro Jahr an direkten Hilfen. Hinzu kommen Mittel aus der Forschungsförderung.

Wie geht es nach dem Gipfeltreffen an diesem Freitag weiter?

Nach der Debatte der Staats- und Regierungschefs ist es an EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger, einen ersten detaillierten Vorschlag für den künftigen Finanzrahmen vorzulegen. Als Datum dafür visiert der deutsche CDU-Politiker den 2. Mai an. Danach werden die Diskussionen vermutlich erst richtig an Fahrt aufnehmen. Sogar Bundeskanzlerin Merkel zeigte sich zuletzt skeptisch, dass es vor 2020 eine Einigung geben kann.

Wie hat sich Oettinger bislang positioniert?

Der Haushaltskommissar wirbt dafür, zumindest einen Teil der durch den EU-Austritt Großbritanniens wegfallenden Einnahmen auszugleichen. Zuletzt schlug er vor, dass die EU-Staaten künftig zehn bis 20 Prozent mehr einzahlen sollten. Für Deutschland würde das eine Mehrbelastung von mindesten drei Milliarden Euro pro Jahr bedeuten. Einsparpotenzial sieht Oettinger vor allem bei den Agrar- und Kohäsionsfonds. Auch in Deutschland müssten sich Landwirte und Regionen auf Kürzungen einstellen.

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