Wie schnell der Anti-Terror-Einsatz mit dem Tod enden kann, bekommen die deutschen Soldaten in Mali erst am Mittwoch wieder vor Augen geführt. Französische Kameraden geraten Morgen mit ihrem gepanzerten Fahrzeug in eine Sprengfalle, für zwei von ihnen kommt jede Hilfe zu spät. Der vermutlich von Islamisten verübte Angriff ereignet sich im Nordosten des westafrikanischen Krisenlandes. Dort sind auch die rund 1000 Bundeswehrsoldaten stationiert, die sich an der UN-Friedensmission zur Stabilisierung Malis beteiligen.

Wie lange dies noch der Fall sein wird, könnte zumindest zum Teil von Gesprächen an diesem Freitag in Brüssel abhängen. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron treffen dann zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen die Präsidenten der Staaten Niger, Burkina Faso, Mali, Mauretanien und Tschad (G5 Sahel).

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Karte mit den G5-Sahelstaaten.

Gemeinsam mit mehr als 20 anderen Vertretern der internationalen Gemeinschaft wollen sie zusätzliche Millionenbeträge für den Aufbau einer neuen afrikanischen Truppe zum Kampf gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität in der Sahelzone versprechen. Der rund 7000 Kilometer lange und bis zu 800 Kilometer breite Streifen am südlichen Rand der Sahara ist derzeit das perfekte Rückzugsgebiet für islamistische Terroristen und Menschenschmuggler.

Rückzugbsgebiet für Dschihadisten

Herrschten dort Recht und Ordnung, könnte auch der Zustrom von Migranten in Richtung Mittelmeer und weiter nach Europa stark eingedämmt werden, lautet die große Hoffnung. Wenn nichts unternommen wird, drohen die Probleme hingegen mit jedem Tag größer zu werden. Die Länder der Sahelzone gehören zu den ärmsten Staaten weltweit und die Bevölkerung wächst weiter rasant. Millionen junge Menschen brauchen dort bald Jobs, sonst könnten sie einfache Beute für die Versprechen radikaler Islamisten oder Schleuserbanden werden.

Derzeit scheint die Stärke örtlicher Rebellengruppen und islamistischer Extremisten, von denen viele Al-Kaida die Treue geschworen haben, ungebrochen. «Die Gruppen der Dschihadisten nutzen örtliche Konflikte geschickt aus, um sich Rückzugsgebiete zu sichern und neue Rekruten zu gewinnen», erklärt die Denkfabrik International Crisis Group (ICG). Das US-Militär warnt: Die Extremisten seien widerstandsfähig, und nutzten die Durchlässigkeit der Grenzen aus. Zudem hätten sie «verlässlich Zugang zu Waffen».

Die zahlreichen internationalen Militäreinsätze haben daran bislang nicht viel ändern können. Trotz der 14 000 Mann starken UN-Friedensmission in Mali, rund 800 US-Soldaten im Niger oder der etwa 4000 Mann starken französischen Anti-Terror-Truppe «Barkhane» bleibt Terroristen immer noch reichlich Platz, sich zu verstecken.

Mehr Geld für G5-Truppe

Das soll sich nun mit Hilfe der neuen G5-Truppe ändern. Die rund 5000 Soldaten werden den Plänen zufolge über die Landesgrenzen hinweg operieren. Im Idealfall ist sie in einigen Jahren in der Lage, für Sicherheit in der Sahelzone zu sorgen.

Bis dahin wird es allerdings viel Geduld und vor allem viel Geld aus Ländern wie Deutschland und Frankreich brauchen. Denn es gibt zwar bereits eine Kommandozentrale für die Truppe, doch sonst fehlt es noch an fast allem, vor allem an Ausrüstung.

In einem ersten Schritt erwarten die G5-Staaten deswegen gut 400 Millionen Euro an Unterstützung. Bislang wurden von der EU und Mitgliedstaaten sowie Ländern wie den USA, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten knapp 250 Millionen Euro zugesagt. An diesem Freitag soll nun die 300-Millionen-Euro-Marke erreicht werden. «Wir sind zuversichtlich, dass wir die internationale Hilfe für die Truppe steigern können», heißt es aus der EU-Kommission.

Regierungen der Sahel-Staaten sind überfordert

Ob das Geld eine gute Investition ist und europäischen Soldaten mittelfristig die Rückkehr ermöglicht, wird sich allerdings erst in einigen Jahren zeigen. Das ganze sei derzeit noch mehr «Experiment» als funktionierender Mechanismus, meint etwa die Denkfabrik ICG. Zudem sei fraglich, ob die Empfänger-Staaten ein so hohes Budget - das etwa der Summe ihrer jährlichen Militärausgaben entspricht - überhaupt sinnvoll managen und einsetzen können. Trotz Fortbildungen durch EU- und US-Trainer wird zum Beispiel den Streitkräften des Nigers und Malis bislang kaum etwas zugetraut.

Die Regierungen der Sahelstaaten mit zusammen 76 Millionen Einwohnern sind überfordert. Die Fläche der Länder entspricht mit gut 5 Millionen Quadratkilometern gut 14 Mal der Größe Deutschlands. Zum Vergleich: das Sorgenkind Afghanistan ist nur knapp doppelt so groß wie die Bundesrepublik. Mit Ausnahme Mauretaniens gehören die G-5-Staaten laut einem UN-Index zu den 15 ärmsten Ländern der Welt.

In Mali und im Niger zum Beispiel stirbt Unicef zufolge jedes zehnte Kind noch vor dem fünften Geburtstag (Deutschland: etwa jedes 260. Kind). Trotzdem wächst die Bevölkerung rasant: Niger hat mit 7,3 Geburten die weltweit höchste Geburtenrate, auch Mali (6,1 Geburten pro Frau) und der Tschad (6) gehören zur Weltspitze. Die Armut und soziale Probleme in den Ländern wachsen daher weiter rasant an.

Waffen alleine reichen nicht

Die Gäste aus Afrika können bei dem Treffen in Brüssel trotz aller Probleme selbstbewusst auftreten, denn sie wissen, dass die neue Kampftruppe auch im Interesse Europas ist. Doch Experten warnen, dass Terrorgruppen nie mit Waffen alleine besiegt werden können. Nachhaltig kann das Problem wohl nur gelöst werden, wenn sich die Bevölkerung gegen Rebellen und Dschihadisten wendet, weil sie sich vom Staat mehr Schutz und Hilfe verspricht.

Die Hilfsorganisation Medico International fordert deswegen, politische und soziale Lösungen für die Sahelzone zu entwickeln. «Solange die Bundesregierung und die EU mit Sicherheit nur die Sicherheit Europas meinen und auf Militarisierung setzen, laufen sie Gefahr, mehr Schaden als Nutzen in der Sahelzone anzurichten», kommentiert sie die Gespräche an diesem Freitag. Wenn die Menschen aufgrund der Militarisierung nicht einmal mehr innerhalb ihrer Region Landesgrenzen überqueren könnten, um ihr Überleben zu sichern oder vor Terror zu fliehen, werde der Unmut gegen Europa weiter wachsen.

Von Jürgen Bätz und Ansgar Haase

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