Fast alle der im Mittelmeer geretteten Migranten kommen in Italien an Land. Die Regierung in Rom will das nicht mehr hinnehmen. Wenn sich verschiedene EU-Länder an Rettungsmissionen im Mittelmeer beteiligen, warum werden die Migranten dann nur nach Italien gebracht, fragt Innenminister Marco Minniti. Am liebsten würde er die Schiffe weiter schicken. Doch so einfach ist das nicht, wie sich beim EU-Innenminister-Treffen im estnischen Tallinn gezeigt hat.

Warum ruft Italien um Hilfe?

Seit Anfang des Jahres haben bereits mehr als 85 000 Gerettete die italienischen Küsten erreicht. Das sind laut Innenministerium in Rom 18 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Italien sieht sich am Limit und allein gelassen - weshalb die Regierung in Rom nun erneut auf baldige und konkrete Hilfe der europäischen Partner dringt. Italien will durchsetzen, dass wenigstens ein Teil der Geretteten in anderen Mitgliedsstaaten aufgenommen wird.

Wer rettet im Mittelmeer und bringt die Migranten nach Italien?

Nach internationalem Seerecht sind alle Schiffe dazu verpflichtet, ihre Fahrt zu unterbrechen, um Schiffbrüchige an Bord zu nehmen. An Rettungen im Mittelmeer sind neben der italienischen Küstenwache und der EU-Grenzschutzagentur Frontex also auch zivile Schiffe beteiligt. Unter etwa zehn Hilfsorganisationen, die mit mehr als einem Dutzend Schiffen im Mittelmeer Leben retten wollen, sind die deutschen Jugend Rettet, Sea Watch und Sea-Eye. Auf die NGOs entfielen in den vergangenen Monaten etwa 34 Prozent der Rettungen.

Welchen Schiffen könnte die Einfahrt in die Häfen verwehrt werden?

Zunächst war von Rettungsschiffen die Rede, die nicht unter italienischer Flagge fahren. Nun will die italienische Regierung einem Bericht der «Welt» zufolge ihre Häfen für unkooperative Hilfsorganisationen sperren, die sich nicht stärker überwachen lassen oder ihre Finanzen offen legen wollen. An Details wird noch gearbeitet. Ein Papier legte Minniti nach Angaben aus Teilnehmerkreisen in Tallinn nicht vor.

Das Innenministerium in Rom hat es darüber hinaus auch auf Schiffe abgesehen, die im Rahmen der EU-Operation Triton im Mittelmeer unterwegs sind und oft Migranten retten. Innenminister Minniti fordert, dass die Grenzschutzagentur Frontex die Triton-Mission dahingehend prüft, ob im Rahmen der Operation gerettete Migranten nicht auch in andere europäische Häfen gebracht werden können. Schiffe der EU-Mission Sophia dagegen dürften weiterhin italienische Häfen anlaufen.

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Karte: Zahl der angekommenen Flüchtlinge in ausgewählten europäischen Ländern

Kann Italien auf Unterstützung seiner Forderung hoffen?

Nein. Die beiden möglichen Ausweich-Länder Spanien und Frankreich lehnen den Vorstoß klar ab. Bundesinnenminister Thomas de Maizière ist ebenfalls dagegen, auch Vertreter Belgiens, Luxemburgs und der Niederlande zeigten sich in Tallinn skeptisch. EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos zeigt sich grundsätzlich gesprächsbereit und hat auch generell großes Verständnis für die Notlage Italiens. Doch wenn es tatsächlich um die Änderung des Mandats der Mission Triton geht, müssten die EU-Staaten zustimmen.

Können die anderen EU-Partner Italien nicht einfach mehr Migranten abnehmen?

Auch diese Entscheidung liegt bei den Hauptstädten. Die Bundesregierung kündigte am Donnerstag in Rom an, Italien statt bislang 500 künftig 750 Flüchtlinge pro Monat abzunehmen. Zudem bekräftigten die Innenminister in Tallinn ihre Unterstützung für einen Aktionsplan der EU-Kommission, der Finanzhilfen von 35 Millionen Euro für Italien vorsieht. Allerdings werden darin auch zahlreiche Forderungen an das Land gestellt, wie zum Beispiel die Aufstockung von Aufnahmekapazitäten und eine erheblich schnellere Bearbeitung von Asylanträgen.

Gibt es auch rechtliche Hürden für ein Hafenverbot?

Eigentlich darf Italien Schiffe mit geretteten Migranten nicht abweisen, davon ist der Kieler Seerechtsexperte Uwe Jenisch überzeugt. «Das ist nur ein politisches Manöver, um die Solidarität der europäischen Partner zu erreichen», sagt er. Gegen eine Hafensperre spreche das Nothafenrecht, wonach Schiffe in Not, etwa aufgrund von technischen Problemen oder mit Schiffbrüchigen an Bord, Anspruch auf das Einlaufen in den Hafen haben. «Wenn da ein Schiff kommt mit 100 Flüchtlingen, mit Hunger, Durst, Krankheit, dann muss man sie reinlassen», sagt Jenisch. Das Einlaufen eines Schiffes dürfe nicht verhindert werden, solange es die Sicherheit nicht gefährde. «Einen brennenden Tanker muss man nicht reinlassen, aber ein Schiff mit Flüchtlingen muss man tolerieren.»

Also würde sich auch mit einem Hafenverbot nichts ändern?

Das Nothafenrecht ist Völkergewohnheitsrecht und schwer durchsetzbar, sagt Jenisch. Die Reedereien der Schiffe könnten den italienischen Staat verklagen, das würde sich hinziehen, so Jenisch. «Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand.»

Von Lena Klimkeit, Martina Herzog und Nico Pointner

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