Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán hat sich vorgenommen, die Tätigkeit von Flüchtlingsorganisationen in seinem Land zu beenden. Am Dienstag begann das Budapester Parlament mit der Erörterung von entsprechenden Gesetzesentwürfen, die Orbán Kabinettschef Antal Rogan eingebracht hat. Sie laufen unter der Bezeichnung «Stopp-Soros-Paket».

Das zielt auf den US-Milliardär George Soros. Dieser unterstützt weltweit Zivilorganisationen und Initiativen, die sich für Menschenrechte und demokratische Verhältnisse einsetzen. Darunter sind auch Vereinigungen in Ungarn, die Flüchtlingen und Asylbewerbern helfen. Sie tun das zum Beispiel mit juristischem Beistand in Asylverfahren oder nach Diskriminierungen oder Misshandlungen durch die Behörden.

Soros wird von der Regierungspropaganda richtiggehend dämonisiert. Dem aus Ungarn stammenden Holocaust-Überlebenden wird unterstellt, Millionen von muslimischen Migranten bewusst nach Europa zu lenken, um die europäischen Völker ihrer christlichen und nationalen Identität zu berauben. Soros würde Politiker, Amtsträger und Parteien in den westlichen Ländern und in der EU-Zentrale in Brüssel bezahlen und beeinflussen, damit sie eine zuwanderungsfreundliche Politik machen. Die Kampagne arbeitet zuweilen auch mit antisemitischen Untertönen.

Asselborn fordert Artikel-7-Verfahren

In seiner jährlichen «Rede zur Lage der Nation» malte Orbán am Sonntag erneut den Teufel an die Wand. Bald würden die europäischen Großstädte mehrheitlich muslimisch sein, prophezeite er. Aber Ungarn werde sich dieser Entwicklung widersetzen. Mit Hilfe des «Stop-Soros-Pakets» werde man die Flüchtlingshelfer an die kurze Leine nehmen und, wenn sie nicht parieren, «aus dem Land werfen».

Diese Worte brachten den luxemburgischen Außenminister Jean Asselborn in Rage. «Diese Einstellung passt zu einem Diktator», sagte er dem «Tagesspiegel» (Dienstag). Einem wie Orbán sei der Machterhalt wichtiger als politischer Anstand. Es war nicht das erste Mal, dass sich Asselborn wegen Orbán empörte. Im September 2016 forderte der Luxemburger Sozialdemokrat den Ausschluss Ungarns aus der EU. «Wer (...) Zäune gegen Kriegsflüchtlinge baut oder wer die Pressefreiheit und die Unabhängigkeit der Justiz verletzt, der sollte vorübergehend oder notfalls für immer aus der EU ausgeschlossen werden», hatte er damals zur Tageszeitung «Die Welt» gesagt.

Tatsächlich hat die EU gegen den fortgesetzten Demokratieabbau in Ungarn bislang kein Rezept gefunden. Die zahlreichen Vertragsverletzungsverfahren steckte Orbán weg, indem er kosmetische Anpassungen an den beanstandeten Gesetzen vornahm oder seine Absichten auf andere Weise weiterverfolgte. Diesmal forderte Asselborn die Aktivierung eines Artikel-7-Verfahrens gegen Ungarn. Dieses kann laut EU-Verträgen zur Aussetzung der Stimmrechte des betroffenen Landes in den EU-Gremien führen.

Willkommene Munition für die Parlamentswahl

Ein solches hatte die EU-Kommission im vergangenen Dezember gegen Polen wegen der von der nationalkonservativen Regierung betriebenen Justizreform eingeleitet. Dass dieses Verfahren tatsächlich zu Sanktionen gegen Warschau führen wird, gilt als unwahrscheinlich. Diese müsste der Europäische Rat, das Gremium der Staats- und Regierungschefs, beschließen. Orbán hat mehrfach angekündigt, gegen eine Abstrafung Polens sein Veto einzulegen.

Für Orbán sind wiederum Asselborns Attacken willkommene Munition für die Parlamentswahl am 8. April. Ein neuerlicher Sieg für den seit 2010 regierenden Rechtskonservativen steht so gut wie fest. Die Rede am Sonntag machte klar, dass Orbán dennoch auf Nummer sicher geht und seine Kampagne monothematisch auf Verschwörungstheorien über Migranten und George Soros aufbaut.

Das legt auch die überhitzte Reaktion von Orbán Außenminister Peter Szijjarto auf die Äußerungen des Luxemburgers nahe. «Jean Asselborn ist ein dummer Mensch», erklärte er am Montagabend. «Er würde gerne zusammen mit George Soros und den ungarischen Gesinnungsgenossen den (ungarischen) Grenzzaun abreißen und Ungarn mit Migranten überschwemmen.»

Von Gregor Mayer

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