Brüssel - Die EU-Länder bekommen mehr Zeit, um auf einen umstrittenen Vorschlag der EU-Kommission zur Einstufung von Atomkraft und Gas als umweltfreundlich zu reagieren. Der neue Stichtag ist der 21. Januar, wie ein Sprecher der Brüsseler Behörde der Deutschen Presse-Agentur bestätigte. Ursprünglich hatten die Staaten bis zum 12. Januar Zeit, den Entwurf zu kommentieren. Hintergrund ist die sogenannte Taxonomie, mit der die Kommission festlegen will, welche Geldanlagen als klimafreundlich gelten sollen.

Der Vorschlag aus Brüssel sieht vor, dass Investitionen in neue Atomkraftwerke als grün klassifiziert werden können, wenn sie neuesten Standards entsprechen und ein konkreter Plan für die radioaktiven Abfälle vorgelegt wird. Investitionen in neue Gaskraftwerke sollen insbesondere auf Wunsch Deutschlands übergangsweise ebenfalls als grün eingestuft werden können. Umweltschützer haben den Entwurf scharf kritisiert - angesichts der ungelösten Frage der Endlagerung radioaktiver Abfälle und der CO2-Emissionen bei Gas.

Stopp der Einstufungspläne unwahrscheinlich

Die Umsetzung des Vorschlags kann nur verhindert werden, wenn sich mindestens 20 EU-Staaten zusammenschließen, die mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU vertreten, oder mindestens 353 Abgeordnete im EU-Parlament. Dies gilt als unwahrscheinlich, da sich neben Deutschland bislang zu wenige Länder klar gegen eine Aufnahme der Atomkraft in die Taxonomie aussprechen - unter anderem Österreich, Luxemburg, Dänemark und Portugal.

Die luxemburgische Regierung hatte einige Tage zuvor angekündigt, rechtliche Schritte gegen die Einstufungspläne der EU-Kommission einzuleiten. «Wir werden uns einer Klage anschließen», sagte Umweltministerin Carole Dieschbourg dem digitalen Medienhaus Table.Media. Zuvor hatte bereits Österreich mit Klage gedroht. Dieschbourg sagte, beide Regierungen hätten vereinbart, sofort zu reagieren, wenn die EU-Kommission den Rechtsakt verabschiedet habe.

Gelder wichtig für Ausbau der erneuerbaren Energien

Die Grünen-Politikerin Dieschbourg nannte es «tragisch», dass die EU-Kommission Kernenergie und Erdgas als nachhaltig einstufen wolle. Es würden Gelder blockiert, die man dringend zur Bekämpfung des Klimawandels und für den Ausbau erneuerbarer Energien brauche.

Aus Sicht des Deutschen Michael Roth ist ein «grünes Label» für Atom- und Gaskraftwerke nicht mehr abzuwenden. «Deutschland setzt sich für mehr Mehrheitsentscheidungen in der EU ein. Das bedeutet dann aber auch, dass wir im Falle des Falles anerkennen müssen, dass wir bei einigen Entscheidungen keine Mehrheit für unsere Position haben», sagte der Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages. In der Taxonomie-Debatte sehe er nicht, «wie sich das noch abwehren ließe».

Deutschland steigt bis Jahresende aus der Atomenergie aus. Am Silvesterabend wurden drei der sechs verbliebenen Kernkraftwerke in Deutschland abgeschaltet.

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Umweltsteuern in den EU-Ländern

Insgesamt sind 4,3 Prozent der gesamten Steuern und Sozialabgaben in Deutschland Umweltsteuern. Sie stecken zum Beispiel in Strom- oder Spritpreisen.  In vielen anderen EU-Ländern ist dieser Anteil deutlich höher. Spitzenreiter ist Bulgarien mit einem Anteil von 9,9 Prozent.

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