Washington, Peking, Singapur, London, Brüssel - Jean-Claude Trichet ist ein gefragter Mann. «Meine Frau beklagt, dass meine freie Zeit so eng bemessen zu sein scheint wie zu meiner Zeit als EZB-Präsident - und das ist nicht vollkommen falsch», gesteht der weißhaarige Franzose, der am 20. Dezember seinen 75. Geburtstag feiert, im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.

Auch wenn er das Amt als oberster Währungshüter Europas vor mittlerweile sechs Jahren abgab - die Expertise und das diplomatische Geschick des überzeugten Europäers werden weltweit geschätzt. Und Trichet macht sich zehn Jahre nach der jüngsten Finanzkrise keine Illusionen: «Wir haben viel getan, um die Welt zu verbessern, aber der Schatten dieser dramatischen Krise liegt noch immer über uns», sagte er kürzlich bei einer Konferenz in Frankfurt.

Im September 2008 schockte die Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers die Finanzwelt. Mit Zinssenkungen und Milliardenspritzen für Banken steuerten die führenden Notenbanken gegen. «In dieser außerordentlich schwierigen Situation mussten Zentralbanken und Regierungen außergewöhnliche Maßnahmen ergreifen, um ein Drama zu verhindern», betont Trichet, damals Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB/2003-2011), heute.

EZB bricht unter Trichet mit einem Tabu

Doch so schnell lassen sich die Märkte nicht beruhigen, 2010 müssen sich etliche Länder Europas eingestehen, über Jahre über ihre Verhältnisse gelebt zu haben. Die Staatsverschuldung erreicht in einigen Fällen bedrohliche Ausmaße. Aus Furcht, dass der Euroraum auseinanderdriftet, bricht die EZB unter Trichets Ägide mit einem Tabu: Die Notenbank kauft Anleihen von klammen Eurostaaten wie Griechenland, um diesen Ländern unter die Arme zu greifen.

«Ich weiß, dass einige dieser Entscheidungen nicht unbedingt von allen gutgeheißen wurden», sagte Trichet. «Aber ich bin überzeugt, dass sie notwendig waren - insbesondere in Europa.» Der damalige Bundesbank-Präsident Axel Weber stellte sich im Mai 2010 öffentlich gegen die Anleihekäufe und warf wenig später hin.

Fast wäre es gar nicht so weit gekommen: Beinahe hätte ein Finanzskandal um die frühere Staatsbank Crédit Lyonnais Trichets Ambitionen vereitelt, zweiter Präsident der 1998 gegründeten EZB zu werden. Ein lupenreiner Freispruch im Pariser Strafprozess um gefälschte Bilanzen und Falschinformationen Mitte Juni 2003 machten den Weg für den damaligen Chef der französischen Zentralbank frei.

«Wir tun, was wir für richtig halten.»

Expertise hatte der in Lyon geborene Sohn eines Altphilologen zuvor reichlich gesammelt. Trichet studiert zunächst Bergbauingenieurwesen und anschließend an Frankreichs Kaderschmiede Ecole Nationale d’Administration (ENA) Wirtschaftswissenschaften. Anfang der 1970er Jahre beginnt Trichets Karriere im Finanzministerium in Paris, wo er sich bis zum Posten des Staatssekretärs hocharbeitet. Im Herbst 1993 wechselt er an die Spitze der Banque de France.

Schon in dieser Position tritt der parteilose Währungshüter gegen politischen Widerstand für stabile Preise und eine starke Währung ein - und betont die Unabhängigkeit der Geldpolitik («Wir tun, was wir für richtig halten.»). Wegen dieser Prinzipientreue wird Trichet in seiner Heimat zeitweise als «Klon der Bundesbank» verspottet.

Zugleich jedoch würdigt ihn das Magazin «L'Express» einmal als «kultiviertesten Beamten Frankreichs» - wegen seiner Begeisterung für Literatur und Oper. «Früher habe ich selbst Gedichte geschrieben, aber derzeit spiele ich nicht mit dem Gedanken, das wieder zu tun», schildert der Jubilar. «Was ich geschrieben habe, ist bisher nicht veröffentlicht.»

Trichets Terminkalender ist gut gefüllt

Poesie und Musik spielen eine wichtige Rolle in Trichets Leben - wann immer es sein gut gefüllter Terminkalender zulässt. Denn Trichet ist unter anderem Mitglied im Verwaltungsrat des Flugzeugherstellers Airbus und führt den Verwaltungsrat der Brüsseler Denkfabrik Bruegel.

«Und ich habe mein zweites Zuhause in Saint Malo - eine wunderschöne Stadt in der Bretagne, die ich sehr liebe», schwärmt Trichet. Auch an die acht Jahre, die er mit seiner Frau in Frankfurt verbracht hat, erinnert er sich gerne: «Ich bin beides: Ein Frankfurter und ein Pariser.»

Gefeiert wird sein Geburtstag in der französischen Hauptstadt: «Ich plane, mit meiner Familie zu feiern», sagt der Vater zweier Söhne und fünffache Großvater. «Und da mein Geburtstag nahe an Weihnachten liege, habe ich eine gute Chance, mit ihnen in Paris zu feiern.»

Dass sein Geburtstag so nah an Weihnachten liegt, sei für ihn schon als Kind kein Problem gewesen, versichert Trichet: «Für mich war das immer der Start meiner persönlichen Festperiode. Aber mein Geburtstag steht nicht im Wettbewerb zu Weihnachten!»

Von Jörn Bender und Friederike Marx

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