Brüssel - Handys, Staubsauger, Wasch- und Spülmaschinen: Diese und viele andere Geräte sollen in der EU künftig repariert werden müssen, wenn der Kunde es verlangt. Ein seit Langem gefordertes «Recht auf Reparatur» hat die entscheidende Hürde genommen, denn Unterhändlerinnen und Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Staaten haben einen Durchbruch verkündet und sich auf neue EU-Vorgaben geeinigt. Der Chefverhandler des Parlaments, der deutsche SPD-Abgeordnete René Repasi, zeigte sich nach der Einigung begeistert: Es werde erstmals einen Rechtsanspruch auf Reparatur bei sogenannter weißer Ware - darunter fallen vor allem Haushaltsgeräte - und typischen Alltagsprodukten wie Smartphones eingeführt. 

Günstiger und einfacher reparieren

Mit den neuen Regeln soll es nicht nur einfacher, sondern auch deutlich günstiger werden, kaputte Sachen reparieren zu lassen. Denn die Vereinbarung verpflichtet Hersteller, Informationen über Ersatzteile auf ihrer Website bereitzustellen, wodurch der Wettbewerb unter Reparaturanbietern verbessert werden soll. Diese Infos müssen auch allen Parteien im Reparatursektor - also auch kleinen Werkstätten - zu einem angemessenen Preis zur Verfügung gestellt werden, teilten die EU-Staaten mit. Zudem sollen Praktiken verboten werden, durch die unabhängige Betriebe daran gehindert werden, gebrauchte oder 3D-gedruckte Ersatzteilen zu verwenden. Online soll künftig auch über die voraussichtlichen Kosten einer Reparatur informiert werden. 

Grafik: Elektroschrott pro Kopf in der EU

Auch in der Abfallwirtschaft wird das Verhandlungsergebnis begrüßt. Besonders erfreulich sei, dass jeder EU-Staat mindestens eine Maßnahme zur Förderung von Reparaturen einführen müsse, teilte der Verband kommunaler Unternehmen mit. Dies könnten etwa Reparaturgutscheine sein. «Die größte Hürde für eine Reparatur stellen häufig die hohen Kosten für Verbraucherinnen und Verbraucher im Verhältnis zur Neuanschaffung dar», so der Verband.

Bis Verbraucherinnen und Verbraucher auch wirklich von den neuen Regeln profitieren, dauert es aber noch etwas. Erst müssen noch Parlament und EU-Staaten final zustimmen, in aller Regel ist das aber reine Formsache. Danach können die Vorgaben in Kraft treten und müssen dann nach einer Übergangsfrist von zwei Jahren in nationales Recht umgesetzt sein. 

Regeln sollen auch der Umwelt helfen

Repasi verweist darauf, dass die europäischen Verbraucherinnen und Verbraucher im Jahr 35 Millionen Tonnen Müll produzierten, weil Produkte nicht repariert, sondern durch Neuware ersetzt würden. Grundlage der Einigung ist ein Vorschlag, den die EU-Kommission vor knapp einem Jahr vorgelegt hatte. Das EU-Parlament tritt nach eigenen Angaben bereits seit mehr als zehn Jahren für ein Recht auf Reparatur ein. Im April 2022 erhöhte das Parlament den Druck, dass ein Gesetzesvorschlag vorgelegt werden soll. Es stimmte mit großer Mehrheit dafür, dass Produkte so gestaltet werden, dass sie länger halten, sicher repariert werden können und ihre Teile leicht zugänglich und ausbaubar sind. 

Die Kommission argumentierte bei der Vorstellung des Vorhabens, weniger weggeworfene Produkte würden sowohl weniger Abfall als auch weniger Ressourcenverbrauch bei der Herstellung bedeuten. Somit entstünden auch weniger Treibhausgasemissionen. Auf Grundlage ihres Vorschlags schätzte die Kommission, dass im Verlauf von 15 Jahren 18,5 Millionen Tonnen Treibhausgasemissionen sowie 1,8 Millionen Tonnen Ressourcen eingespart werden und 3 Millionen Tonnen Abfall weniger anfallen.

Die Vorsitzende des Binnenmarktausschusses des EU-Parlaments, Anna Cavazzini, sieht das Verhandlungsergebnis als Durchbruch für den Verbraucherschutz, aber auch für die Umwelt. Weniger Produkte landeten bei kleinen Defekten direkt in der Tonne, so die Grünen-Abgeordnete. Ähnlich sieht das auch der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber. «In der Ära der Wegwerfgesellschaft ist es an der Zeit, "Reparieren statt Wegwerfen" zum Leitmotiv zu machen», sagte der Christsoziale.

Regeln können auf weitere Produkte ausgeweitet werden

Bislang sind nach Angaben der EU-Staaten nur Produkte von der Richtlinie erfasst, für die es bereits auf EU-Ebene Reparaturvorschriften gibt. In Zukunft kann die EU-Kommission aber über die sogenannte Ökodesignrichtlinie auch Anforderungen für neue Produkte einführen, wodurch sie auch vom Recht auf Reparatur und damit deutlich weitreichenderen Vorschriften erfasst sind. So sind bislang nach Angaben von Abgeordneten unter anderem Kopfhörer oder Möbel nicht durch das Recht auf Reparatur abgedeckt.  

Der binnenmarktpolitische Sprecher der EVP-Fraktion, Andreas Schwab (CDU), wies darauf hin, dass der Automobilsektor aus dem Anwendungsbereich ausgenommen sei. Dort gebe es bereits einen funktionierenden Reparaturmarkt. 

Ein Jahr Gewährleistung nach Reparatur

Damit sich Verbraucherinnen und Verbraucher darauf verlassen können, dass sich eine Reparatur lohnt, soll auch eine Gewährleistung eingeführt werden. Ein Jahr lang soll diese Gewährleistung in Kraft sein, nachdem etwa eine Spülmaschine repariert wurde.  Die europäische Verbraucherschutzorganisation Beuc begrüßt das. «Es ist nur fair, dass länger haltbare Produkte längere Garantiezeiträume bedeuten», sagte Ursula Pachl, stellvertretende Beuc-Generaldirektorin. Europäische Verbraucherschützer berichten Pachl zufolge schon seit Langem, dass zu viele Produkte zu früh kaputtgehen und nicht mehr repariert werden könnten. 

Der Zentralverband des Deutschen Handwerks kritisierte, dass die längere Gewährleistungsfrist nach einer Reparatur mit Rechtsunsicherheit verbunden sei. Reparaturbetriebe könnten Rückgriffsansprüche gegen die Hersteller häufig nur schwer durchsetzen. Grundsätzlich begrüßte der Verband das Recht auf Reparatur aber.