Versailles - Mehr Waffen für die Ukraine, neue Sanktionen gegen Russland und demonstrative Tatkraft angesichts steigender Energiepreise: Bei einem zweitägigen Gipfeltreffen im französischen Versailles haben Kanzler Olaf Scholz und die anderen Staats- und Regierungschefs der EU versucht, sich als geeintes Bündnis zu präsentieren. Und tatsächlich, die furchteinflößende Politik von Kremlchef Wladimir Putin hat die 27 Länder zuletzt zueinander getrieben und umwälzende Entscheidungen im Rekordtempo ermöglicht.

Doch das zweitägige Gipfel-Treffen im Schloss von Versailles zeigte auch: Mit zunehmender Dauer des russischen Kriegs gegen die Ukraine wachsen die Spannungen zwischen den EU-Staaten. Vor allem der deutsche Kanzler Scholz ist deutlich unter Druck. Wo steht die EU nach dem Krisengipfel?

Kein Luxus mehr für die russische Oberschicht

Die EU bringt mit ihren westlichen Partnern ein viertes Sanktionspaket auf den Weg. Nach Angaben von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wird es unter anderem ein Verbot des Exports von Luxusgütern nach Russland enthalten. Auch sollen die normalen Handelsbeziehungen zu Russland ausgesetzt werden. Dabei soll Russland der Status als «meistbegünstigte Nation» bei der Welthandelsorganisation entzogen werden.

Das Meistbegünstigungsprinzip bedeutet, dass WTO-Mitglieder allen anderen Mitgliedern mit wenigen Ausnahmen den gleichen Zugang zu ihrem Markt einräumen müssen. Zölle können also in der Regel nicht willkürlich für ein bestimmtes Land höher angesetzt werden.

Importstopp für russische Energie weiter offen

Eine der schärfsten Strafmaßnahmen gegen Russland wäre ein Importstopp für Öl, Gas und Kohle. Doch können sich die 27 EU-Staaten darauf weiter nicht einigen – unter anderem deshalb, weil Kanzler Scholz sich sperrt. Deutschland ist seiner Ansicht nach zu abhängig von russischer Energie. Die Sanktionen sollten jedoch möglichst geringe Auswirkungen auf die EU-Staaten selbst haben, sagte Scholz in Versailles. Österreichs Kanzler Karl Nehammer teilt diese Haltung: «Österreich kann jetzt nicht sagen: Wir verzichten auf russisches Erdgas. Wir brauchen es.»

Andere Länder wie Polen und Litauen trommeln hingegen für einen Importstopp - bislang erfolglos. Die russischen Lieferungen sind vor allem deshalb umstritten, weil Moskau damit Milliarden einnimmt, die es für den Krieg gegen die Ukraine verwenden könnte.

Die 27 Staats- und Regierungschefs einigten sich nun darauf, die Abhängigkeit von russischen Gas-, Öl- und Kohle-Importen «so schnell wie möglich» zu reduzieren. Konkret wollen die EU-Länder die Nutzung fossiler Brennstoffen reduzieren, neue Gasquellen wie Flüssig- (LNG) und Biogas erschließen sowie den Ausbau von Wasserstofftechnologie und erneuerbaren Energien beschleunigen. Die EU-Kommission soll bis Ende Mai einen konkreten Plan vorschlagen - spätestens 2027 will man damit unabhängig von Russland sein.

Ukraine – kommt der schnelle EU-Beitritt?

Die Ukraine unter Präsident Wolodymyr Selenskyj will unbedingt in die EU – und zwar so schnell wie möglich. Einen entsprechenden Antrag hat Selenskyj vergangene Woche gestellt. Unterstützung bekam er in Versailles zwar von Staaten wie Estland, Litauen und Slowenien. Doch auch hier stellte sich nicht nur Scholz quer.

So wird der Ukraine in Abschlusserklärung des Gipfels vor allem moralische Unterstützung zugesagt und langfristig Hoffnung auf eine Mitgliedschaft im Staatenbund gemacht. Das Land gehöre zur europäischen Familie, man wolle daran arbeiten, die Bindungen weiter zu stärken und die Partnerschaft zu vertiefen. Was allen Ländern wichtig war: Der Ukraine sollte nicht die kalte Schulter gezeigt werden. «Wir werden sie nicht allein lassen», heißt es in der Abschlusserklärung. Und: Die Menschen in der Ukraine verteidigten nicht nur ihr Land, sondern auch die «gemeinsamen Werte der Freiheit und der Demokratie».

Ob der Ukraine das reicht? Nicht wirklich. «Die Europäische Union sollte mehr tun. Sollte mehr tun für uns, für die Ukraine. Und für sich. Wir erwarten das. Alle Europäer erwarten das», sagte Selenskyj.

Mehr Abschreckung gegen Russland

Waffenlieferungen in ein Kriegsgebiet, bezahlt aus dem EU-Haushalt – das galt lange als Tabu. Ein Tabu, das die EU nach dem Beginn von Russlands Krieg in der Ukraine kassierte. Damals entschieden die 27 Staaten, dass die EU eine halbe Milliarde Euro für die Lieferung von Waffen und Ausrüstung an die ukrainischen Streitkräfte zur Verfügung stellen wird. Beim Gipfel in Versailles sattelten Scholz und seine Kollegen noch einmal die gleiche Summe obendrauf.

Die EU-Staaten selbst wollen mit einer deutlichen Erhöhung ihrer nationalen Verteidigungsausgaben die Abschreckung gegen Russland verstärken. Um die Bürger besser zu schützen, müsse entschlossen mehr und effektiver in Verteidigungsfähigkeiten und innovative Technik investiert werden, heißt es in der Abschlusserklärung. Man habe sich deswegen auf eine substanzielle Erhöhung der Verteidigungsausgaben geeinigt. Zudem sollten Anreize für gemeinsame Investitionen entwickelt werden. So soll die EU, die bislang vor allem bei größeren Einsätzen als abhängig von den USA gilt, in die Lage versetzt werden, das gesamte Spektrum von Missionen und Operationen durchzuführen.

Gastgeber Emmanuel Macron, dessen Land gerade den Vorsitz der EU-Staaten innehat, hatte wohl auch auf die Strahlkraft der imposanten Palastanlage westlich von Paris gehofft. Denn der französische Präsident will im April wiedergewählt werden und kann mitten im Krieg nur sehr eingeschränkt Wahlkampf betreiben.

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Russlands Angriff auf die Ukraine mit Stand vom 13. März 2022: die von russischen Truppen besetzten Gebiete und eine Auswahl wichtiger Schauplätze.

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