Frankfurt/Brüssel - Die Vorbereitungen laufen seit Jahren, im Juni folgte der nächste Schritt auf dem Weg zur möglichen Einführung eines digitalen Euros. Die Eu-Kommission  hat einen Rechtsrahmen für eine digitale Variante der europäischen Gemeinschaftswährung vorgestellt. Zugleich setzt sich Brüssel für einen besseren Zugang zu Bargeld ein. Die Europäische Zentralbank (EZB) will im Oktober entscheiden, ob sie die Arbeiten an einem digitalen Euro weiter vorantreiben wird. Da es bereits reichlich digitale Bezahlangebote gibt, fragt sich mancher: Wofür braucht es überhaupt Zentralbankgeld, das man nicht anfassen kann?

Wird das Bargeld abgeschafft?

Nein. EU-Kommission und EZB haben immer wieder betont, dass ein digitaler Euro eine Ergänzung zu Scheinen und Münzen wäre und nicht das Bargeld ersetzen soll. «Wir werden den Bürgerinnen und Bürgern so lange Banknoten zur Verfügung stellen, wie es eine Nachfrage danach gibt», sagte jüngst EZB-Direktoriumsmitglied Fabio Panetta. In einem Gastbeitrag in mehreren Tageszeitungen versicherten Panetta und EU-Kommissions-Vize Valdis Dombrovskis, Kommission und EZB würden «alles daransetzen, dass Bargeld auch weiterhin in allen 20 Mitgliedsländern verfügbar ist und akzeptiert wird». Doch es brauche den Digi-Euro als zweite Option: «Hätten wir beide Optionen - Euro-Bargeld und einen digitalen Euro -, so könnten alle frei wählen, wie sie bezahlen möchten, und niemand würde digital abgehängt.»

Ist der Treueschwur zum Bargeld nur ein Lippenbekenntnis?

Im Gegenteil. Brüssel setzt sich dafür ein, dass Bargeld weiterhin breit akzeptiert wird und Verbraucher flächendeckend Zugang dazu haben. Dies soll ein zweiter Gesetzesvorschlag sicherstellen, den die EU-Kommission im Juni vorgelegt hat. Dieser soll regeln, dass der Trend, nur noch bargeldlose Zahlungsmethoden zu akzeptieren, nicht überhandnimmt. Einige Menschen hätten wegen der Schließung von Bankfilialen und des Abbaus von Geldautomaten zudem Schwierigkeiten, an Bargeld zu gelangen, stellte die EU-Kommission fest.

Grafik: Das Euro-Bargeld

«Um den Status des Bargelds als gesetzliches Zahlungsmittel in der Praxis zu erhalten, muss der leichte Zugang zu Euro-Bargeld gewährleistet sein, denn wenn die Bürger keinen Zugang zu Bargeld haben, können sie nicht damit bezahlen und der Status als gesetzliches Zahlungsmittel wird untergraben», heißt es in dem Gesetzesvorschlag.

Zusätzlich will Brüssel mit der Überarbeitung der europäischen Zahlungsdienste-Richtlinie (Payment Service Directive/PSD3) dafür sorgen, dass Menschen in der EU künftig einfacher an Bargeld kommen. Die EU-Kommission will etwa, dass Einzelhändler Scheine und Münze ausgeben können, ohne dass Verbraucher etwas kaufen müssen.

Was steht im Gesetzesvorschlag zum digitalen Euro?

Verbraucher sollen nach dem Willen der EU-Kommission neben Euro-Münzen und -Scheinen in Zukunft auch einen digitalen Euro als gesetzliches Zahlungsmittel nutzen können. Das heißt: Händler wären verpflichtet, den digitalen Euro zu akzeptieren. Es soll aber Ausnahmen geben: Ein kleiner Kiosk, der bisher nur Bargeld annimmt, weil er kein Kartenlesegerät hat, soll nicht zur Annahme von digitalen Euro gezwungen werden.

Wichtig sei, dass ein digitaler Euro sowohl für Online- als auch für Offline-Zahlungen zur Verfügung stünde, betonte die Kommission. Heißt: Zahlungen sollen von Gerät zu Gerät auch dann möglich sein, wenn es keine Internetverbindung gibt, also etwa in einer Tiefgarage.

«Banknoten und Münzen (...) können die Wirtschaft der EU im digitalen Zeitalter nicht allein tragen», heißt es in dem Gesetzesvorschlag. Es sei notwendig, eine neue Form der offiziellen Währung einzuführen, die risikofrei sei. «Das Fehlen einer weithin verfügbaren und nutzbaren Form von Zentralbankgeld, die technologisch an das digitale Zeitalter angepasst ist, könnte auch das Vertrauen in das Geld der Geschäftsbanken und letztlich gegenüber dem Euro selbst schmälern.»

Was soll ein digitaler Euro bringen?

Grundsätzlich ermöglichen digitale Bezahlverfahren, Geschäfte binnen Sekunden abzuwickeln, auch über Landesgrenzen hinweg. Im Gegensatz zu sogenannten Kryptowährungen wie Bitcoin und Ether, deren Kurse oft stark schwanken, böte die Einführung einer virtuellen europäischen Währung Privatanlegerinnen und -anlegern eine stabilere Alternative, da sie eins zu eins an den Euro gekoppelt wäre. Die EZB würde die Stabilität eines digitalen Euro sichern.

Zudem bekäme Europa mit einem digitalen Euro ein eigenes Angebot für digitale Zahlungen als Alternative zu Zahlungsdienstleistern, die nicht in Europa beheimatet sind wie etwa der US-Riese Paypal. «Ein System, das sich auf eine europäische Infrastruktur stützt, wäre besser gegen Störungen, einschließlich Cyberangriffe und Stromausfälle, gewappnet», warben Panetta und Dombrovskis.

Wie könnte ein digitaler Euro ausgestaltet sein?

Banken könnten den digitalen Euro wie Bargeld von den Notenbanken beziehen. Verbraucher würden ihn in einer digitalen Geldbörse, einer sogenannten Wallet, gutgeschrieben bekommen. «Überall im Euroraum könnten die Menschen mit dem digitalen Euro kostenlos bezahlen, etwa mithilfe einer digitalen Geldbörse oder per Smartphone», erklärten Dombrovskis und Panetta. EZB und EU-Kommission erwarten auch, dass Bezahlvorgänge günstiger werden: «Mit einem digitalen Euro würden (...) die Gebühren sinken, die Verbraucher für Zahlungen entrichten, denn er würde den Wettbewerb in Europa beflügeln.»

Wie ist der Zeitplan?

Mit der Einführung eines digitalen Euros wird frühestens 2026 gerechnet. Mitte Juli 2021 beschloss die EZB, die Vorarbeiten auf die nächste Stufe zu heben: In einer zweijährigen Untersuchungsphase geht es seit Oktober 2021 etwa um Technologie und Datenschutz. Im Oktober des laufenden Jahres will der EZB-Rat entscheiden, ob eine Vorbereitungsphase zur Entwicklung und Erprobung des digitalen Euros eingeleitet werden soll, wie EZB-Direktoriumsmitglied Panetta jüngst sagte: «Diese Phase könnte zwei oder drei Jahre dauern. Wenn der EZB-Rat und die europäischen Gesetzgeber - Mitgliedstaaten und Mitglieder des Europäischen Parlaments - zustimmen, könnten wir den digitalen Euro in drei oder vier Jahren einführen.»

Gibt es auch in anderen Regionen digitale Währungen?

Weltweit arbeiten nach Angaben des Bundesfinanzministeriums aus dem April 114 Staaten an der Entwicklung des sogenannten digitalen Zentralbankgelds (Central Bank Digital Currencies - CBDC). Anfang Februar beispielsweise teilten das britische Finanzministerium und die Bank of England mit, die Einführung eines digitalen Pfunds zu prüfen. Vergleichsweise weit vorangeschritten ist in Europa das Projekt E-Krona der schwedischen Zentralbank, denn in dem skandinavischen Land werden Schein und Münze kaum noch genutzt.

China arbeitet schon länger an einer digitalen Variante seiner Währung Renminbi. «Der chinesische digitale Renminbi (e-CNY) etwa verzeichnete schon Ende des Jahres 2021 über 260 Millionen Nutzerinnen und Nutzer», schreibt das Bundesfinanzministerium in seinem Monatsbericht April 2023. «Elf Staaten hatten im März 2023 digitales Zentralbankgeld bereits breit im Markt eingeführt, darunter Nigeria und Jamaika.»

Wie stehen Verbraucher zu der Idee eines digitalen Euros?

Die Mehrheit der Menschen in Deutschland sieht die Arbeiten mit Skepsis. In einer Ende Mai veröffentlichten Umfrage im Auftrag des Bankenverbandes BdB stimmten drei Viertel der 1008 Befragten (76 Prozent) der Aussage «sehr» beziehungsweise «eher» zu, ein digitaler Euro sei nicht notwendig, weil vorhandene Zahlungsmöglichkeiten ausreichten. «Es gibt derzeit keine offensichtliche Lücke, die ein digitaler Euro im normalen Zahlungsverkehr schließen müsste», meint auch der CSU-Europaparlamentarier Markus Ferber. «Wenn die Menschen den Mehrwert einer digitalen Währung nicht sehen, wird der digitale Euro ein Akzeptanzproblem haben.»

Dagegen begrüßte die europäische Verbraucherschutzorganisation Beuc die Initiative zum digitalen Euro: «Es ist höchste Zeit, dass wir uns aus der Abhängigkeit von den großen internationalen Kartensystemen lösen, um on- und offline bezahlen zu können.»