Es herrscht eine fast aufgekratzte Stimmung am Flugsteig Z54 am Frankfurter Flughafen. Abflugbereit steht am Montagmorgen der Lufthansa-Flug LH400 nach New York. Die Flugbegleiter verteilen kleine US-Flaggen und Hochglanz-Postkarten. «Ich bin so froh, dass es endlich losgeht», sagt der 23 Jahre alte Hannes Joos, der gemeinsam mit einem Freund seinen Onkel in New York besuchen will. Eine Woche Urlaub und Verwandtschaftsbesuch - das war für die meisten Europäer für fast 20 Monate unmöglich, weil die USA zur Abwehr der Pandemie ihre Grenzen für EU-Ausländer dichtgemacht hatten.

Mehr als eineinhalb Jahre lang trennten die Reisebeschränkungen Familien, Liebespaare und Freunde. Geschäftsleute konnten plötzlich nicht mehr ohne Weiteres in die USA reisen. Touristen blieben Ziele verwehrt. Der weitgehende Einreisestopp belastete zunehmend die Beziehungen zwischen den USA und ihren europäischen Partnern. So hatte Deutschland seine Grenzen seit Juni ausdrücklich auch für US-Touristen geöffnet, während sich die Amerikaner in umgekehrter Richtung bis zum 8. November Zeit nahmen.

Der Nordatlantik-Markt ist von wirtschaftlich überragender Bedeutung für die großen europäischen Netzwerk-Airlines und ihre amerikanischen Partner, mit denen sie in Joint Ventures verbunden sind. Dem Flugdatendienstleister OAG zufolge sind in diesem Jahr über dem Ozean noch 2,8 Milliarden Dollar Umsatz zu verteilen. Im Lufthansa-Konzern steht das Verkehrsgebiet zu normalen Zeiten für nahezu ein Drittel der Verkehrsumsätze und für die Hälfte des Interkontinentalgeschäfts. In London-Heathrow zelebrierten British Airways und Virgin Atlantic am Montagmorgen den Neubeginn mit einem Parallelstart zweier Maschinen mit dem Ziel New York.

Wöchentlich 160 Verbindungen zu 19 US-Zielen

«Wir müssen dringend nach New York, weil wir dort eine Niederlassung gründen wollen», erzählt am Frankfurter Lufthansa-Gate eine Delegation der italienischen Messegesellschaft Bologna. «Das geht einfach nicht aus der Ferne.» Ein paar Reihen weiter stehen zwei Ingenieure des Maschinenbauers Bültmann aus dem Sauerland, die auf ihren Flug nach Detroit warten, um dort die Maschinen eines Kunden zu erweitern. «Wir konnten auch schon vorher fliegen, aber es war sehr viel Bürokratie», erzählt einer der Männer. Wie alle anderen sind sie geimpft und frisch getestet. Die Einreisebestimmungen werden vor Flugantritt streng und mehrfach kontrolliert.

«Wir haben für die kommenden Wochen eine Auslastung wie im Jahr 2019», frohlockt Lufthansa-Manager Klaus Froese. Allein seine Gesellschaft fliegt im Winterflugplan von Frankfurt und München wöchentlich 160 Verbindungen zu 19 US-Zielen - eine enorme Steigerung nach 30 Verbindungen im Sommer, als nur US-Bürger, Diplomaten und Menschen mit Ausnahmegenehmigungen reisen durften. Wegen der starken Nachfrage wird der traditionsreiche New-York-Flug bereits in drei Tagen wieder mit einem Boeing-Jumbo bestückt. Die 747-8 hat rund 150 Plätze mehr als die A340 von Airbus und ist nach Ausmusterung der A380 das größte Flugzeug des Konzerns.

Bei aller Euphorie warnt das Fluggastrechteportal Airhelp bereits vor Verspätungen. Vor der Pandemie sei etwa jeder vierte Passagier aus Deutschland in die USA von Verspätungen und Ausfällen betroffen gewesen, sagt Airhelp-Jurist Christian Leininger. «Personalmangel bei Airlines sowie dem Bodenpersonal haben europaweit bereits zu etlichen Verspätungen und Ausfällen geführt. Das wird auch bei Flügen in die USA nicht ausbleiben.» Mögliche Ansprüche auf Entschädigungen bis zu 600 Euro entstünden aber nur bei einem Startpunkt innerhalb der EU oder wenn die Fluggesellschaft ihren Sitz in Europa hat und ein europäischer Flughafen angeflogen wird. Keine Chance haben Passagiere bei verspäteten Inlandsflügen in den USA. Im Moment gebe es in Houston, Dallas und Chicago-Midway die größten Probleme.

«Wir nehmen Covid ernst, aber wir wollen nicht in Angst leben.»

Die Freundinnen Sarah Borchardt und Karin Deges wollen nicht umsteigen. Sie haben ihre USA-Reise wegen der Einreisebeschränkungen bereits zweimal verschoben. Umso mehr freuen sie sich, dass es nun endlich mit Singapore Airlines losgehen kann, die am Montag als erste von Frankfurt aus nach New York fliegt. «Wir sind total happy jetzt, im ersten Flieger zu sitzen und endlich rüber zu können», sagt Borchardt. Was sich die beiden von ihrem Urlaub erhoffen? «Einfach gemeinsame Zeit zu verbringen, die City zu genießen, das schöne Wetter, die Leute, einfach alles genießen und aufsaugen», berichtet Deges. Bedenken haben die beiden auf ihrer ersten Flugreise seit Pandemiebeginn nicht. «Vorsichtsmaßnahmen sind ergriffen, wir sind geimpft, wir verhalten uns entsprechend, tragen Maske, da haben wir keine Sorge», sagt Borchardt.

Trotz steigender Ansteckungszahlen ist es ein Moment der Rückkehr in die Normalität. «Wir sind geimpft und haben auch schon den Booster», berichtet das New Yorker Ehepaar Steve und Danuta Wright, das gerade von einer Mittelmeer-Kreuzfahrt zurückkommt. «Wir wollen möglichst viel reisen, solange wir das noch so gut können», sagt der 69-jährige Steve. «Wir nehmen Covid ernst, aber wir wollen nicht in Angst leben.»

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 Der weltweite Tourismus ist im Jahr 2020 um 74 Prozent eingebrochen. Auf diesem Niveau war die Branche zuletzt vor 30 Jahren. Bis sie wieder auf dem Level von 2019 ist, werden zweieinhalb bis vier Jahre vergehen. Das vermutet zumindest die Welttourismusorganisation der Vereinten Nationen (UNWTO). Die Verluste für das Jahr 2020 schätzt die UNWTO auf 1,3 Billionen US-Dollar, also gut elf mal mehr als während der Finanzkrise im Jahr 2009.

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