Der anhaltende Streit über die Pläne für ein europäisches Öl-Embargo gegen Russland droht den an diesem Montag beginnenden EU-Gipfel in Brüssel zu überschatten. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur verhinderte die Regierung des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban am Sonntag die Einigung auf einen neuen Kompromissvorschlag, indem sie ihre Zustimmung von finanziellen Zusagen der EU abhängig machte. Zudem ließen auch Länder wie die Niederlande Vorbehalte erkennen.

Um die seit Wochen anhaltende Blockade Ungarns zu lösen, hatte die EU-Kommission zuvor vorgeschlagen, vorerst nur die Einfuhr von per Schiff transportiertem Öl auslaufen zu lassen. Das von russischen Energieträgern stark abhängige Ungarn könnte sich demnach weiterhin über die riesige Druschba-Pipeline mit Öl aus Russland versorgen.

An die Leitung sind auch Raffinerien in der Slowakei und in Tschechien sowie in Polen und Ostdeutschland angeschlossen. Deutschland und Polen haben allerdings bereits klargestellt, dass sie unabhängig von einem Embargo bis Ende dieses Jahres unabhängig von russischen Öllieferungen werden wollen. Vorher sollte das Öl-Embargo ohnehin nicht vollständig in Kraft sein.

Umstellung von Raffinerieanlagen auf nicht-russisches Öl

Bei den nun von Ungarn geforderten Finanzzusagen geht es nach Angaben aus EU-Kreisen vor allem um Mittel, die das Land für den mittelfristigen Umbau seiner Öl-Infrastruktur will. So beziffert die Regierung in Budapest die Kosten für die notwendige Umstellung von Raffinerieanlagen auf nicht-russisches Öl auf bis zu 550 Millionen Euro. Zudem müssen den Angaben zufolge 200 Millionen Euro investiert werden, um das Land künftig über eine an der Adriaküste beginnende Pipeline zu versorgen.

Inhaltliche Probleme mit dem Kompromissvorschlag haben nach Angaben von Diplomaten hingegen die Niederlande. Sie befürchten, dass es in der EU zu ungleichen Wettbewerbsbedingungen kommen könnte, wenn einige Staaten weiter relativ günstiges Pipeline-Öl aus Russland beziehen. Relevant ist dies auch, weil der Hafen in Rotterdam bislang ein wichtiger Umschlagplatz für russisches Öl ist und dort durch das Embargo zunächst Geschäft wegbrechen könnten. Der ursprüngliche Vorschlag der EU-Kommission sah vor, wegen des Ukraine-Kriegs den Import von russischem Rohöl in sechs Monaten und den von Ölprodukten in acht Monaten komplett zu beenden. Lediglich Ungarn und die Slowakei sollten 20 Monate Zeit bekommen.

Der CSU-Europapolitiker Manfred Weber sprach sich vor dem Hintergrund der Diskussionen gegen weitreichende Kompromisse zugunsten von Ungarn aus. «Ich bin es ehrlich gesagt leid, dass sich die gesamte EU bei den Sanktionsbeschlüssen immer nach dem Zögerlichsten richten muss», sagte der Vorsitzende der christdemokratischen EVP-Fraktion der Deutschen Presse-Agentur. Wenn der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban die gegen Russlands Präsidenten Wladimir Putin notwendige Geschlossenheit blockiere, müssten zwischenstaatliche Lösungen ohne Ungarn gesucht werden.

Auf der Agenda stehen Maßnahmen gegen die hohen Energiepreise

«Wenn es nicht anders geht, dann darf dieser Weg nicht ausgeschlossen sein», sagte Weber mit Blick auf die Option, das Öl-Embargo ohne die Einbeziehung Ungarns zu beschließen. Orban müsse gezeigt werden, dass es nicht den Rest der EU in Geiselhaft nehmen könne.

Deutschland zeigte sich nach Angaben von EU-Diplomaten bei den EU-Beratungen am Sonntag grundsätzlich bereit, dem Kompromissvorschlag der Kommission zuzustimmen. Zugleich machte die Bundesregierung demnach deutlich, dass die Ausnahmeregelungen eigentlich nicht in ihrem Interesse sind. Mit Unmut wurde den Angaben zufolge auch registriert, dass die Kommission den Vorschlag zurückgezogen hat, im Rahmen des sechsten Sanktionspakets Russen den Kauf von Immobilien in der EU zu untersagen.

Auf der offiziellen Agenda des zweitägigen EU-Sondergipfels in Brüssel stehen unter anderem mögliche Maßnahmen gegen die aktuell bereits sehr hohen Energiepreise, die weitere Unterstützung für die Ukraine sowie die Zusammenarbeit der EU im Bereich der Sicherheit und Verteidigung. Zur aktuellen Lage in der Ukraine wird es den Planungen zufolge ein Briefing durch den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj geben. Dieser soll per Videokonferenz zugeschaltet werden.

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Russland als Energielieferant der EU

In Russland liegen große Mengen fossiler Rohstoffe, vor allem Gas und Kohle. Knapp 20 Prozent der weltweit bekannten Gasreserven liegen in Russland. Kein anderes Land hat mehr Reserven. Bei Kohle liegt Russland mit 15 Prozent nur knapp hinter den USA. Dort liegen 23 Prozent des weltweiten Kohlevorkommens. Das russische Ölvorkommen ist mit einem Anteil von sechs Prozent viel kleiner. Deutlich mehr Öl besitzen Venezuela und Saudi Arabien mit jeweils gut 17 Prozent. Trotzdem machte russisches Öl im Jahr 2020 über elf Prozent des Welthandels aus. Alle europäischen Länder importieren Energie aus Russland. Deutschland bezieht vor allem russisches Gas über Pipelines. Die EU-Länder haben 2020 zusammen 145 Milliarden Kubikmeter Gas aus Russland via Pipeline importiert. 56 Milliarden Kubikmeter davon gingen nach Deutschland - also mehr als ein Drittel. Große Mengen Erdgas bezieht Deutschland außerdem aus Norwegen, 2020 waren es 31 Milliarden Kubikmeter.

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